Emmely in dritter Instanz: "Der Fall hat uns empört"
Seit "Emmely" steigt der Druck auf Firmen, die mit Kleinigkeiten Mitarbeiter loswerden wollen, sagt Jörg Nowak vom Komitee "Solidarität für Emmely".
taz: Herr Nowak, am 10. Juni geht der Fall der wegen eines Pfandbons von 1,30 Euro gefeuerten Supermarktkassiererin "Emmely" in die dritte Instanz. Womit rechnen Sie?
Jörg Nowak: Wir rechnen damit, dass das Landesarbeitsgericht entweder Kaisers Recht gibt oder aber an das Landesarbeitsgericht zurückverweist.
Der Fall beschäftigt die Gerichte seit zwei Jahren, noch immer ist Barbara E. arbeitslos. Was hat die Gründung Ihres Unterstützungskomitees gebracht?
Der Fall "Emmely" hat uns empört, schließlich arbeitete die Frau seit 31 Jahren im Betrieb. Wir haben die Empörung in die Öffentlichkeit gebracht. Seit "Emmely" gibt es eine größere allgemeine Sensibilität gegenüber ähnlichen Fällen. Dass die Medien über den Maultaschen-Fall berichten …
… die fristlose Kündigung einer Altenpflegerin, der wegen des Verzehrs einer Maultasche gekündigt wurde …
… da hat der öffentliche Druck zumindest zu einem Vergleich mit Abfindung geführt. In Oberhausen hat eine Firma die Kündigung eines Mitarbeiters wegen Handyaufladens am Arbeitsplatz aufgrund der öffentlichen Empörung rückgängig gemacht. Auch Kaisers hat durch den Fall Emmely beträchtliche Imageverluste erlitten. Eine große Zahl von Menschen hat an das Unternehmen geschrieben, Umfragen bestätigen, dass weniger Leute bereit sind, dort einzukaufen.
Pfandbons, Maultaschen, Damenbinden und ein aus dem Müll geholtes Kinderbett: Nehmen solche Bagatellkündigungen in der letzten Zeit zu?
Nein, die Zahl solcher Kündigungen ist in den letzten Jahren recht konstant geblieben. Neu ist die öffentliche Aufmerksamkeit dafür. In Zeiten der Banker-Boni und horrender Managergehälter ist den Menschen schwer zu vermitteln, warum jemand wegen einer Frikadelle seinen Job verlieren soll. Zumal solche Kündigungen ja immer einen anderen Hintergrund haben. Die Arbeitgeber versuchen so, sich unbequemer, alter oder zu teurer Arbeitskräfte zu entledigen. Bei "Emmely" war es ein gewerkschaftlicher Streik, den sie mit organisierte. Da kommt ein behaupteter Vertrauensbruch gerade recht.
Muss das Arbeitsrecht geändert werden, um zu verhindern, dass Arbeitgeber Kündigungen nach Belieben einsetzen?
Eine Möglichkeit wäre die Abschaffung der Verdachtskündigung, bei der schwer zu überprüfende "objektive Anhaltspunkte" für die Kündigung ausreichen. SPD und Linkspartei haben dazu einen Gesetzesentwurf in den Bundestag eingebracht. Bei der Bagatellkündigung diskutieren Juristen, erst eine Abmahnung vorzuschreiben. Eine andere Möglichkeit wäre die Einführung einer Bagatellgrenze, wie es sie bereits für Soldaten und Beamte gibt.
Wie geht es jetzt mit "Emmely" weiter?
Durch die Organisation einer öffentlichen Podiumsdiskussion wollen wir ihren Fall in der öffentlichen Aufmerksamkeit halten. Und dazu beitragen, dass der öffentliche Druck auf Kaisers steigt. Damit "Emmely" zu ihrem Recht kommt.
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