Elvis: König der Katzen in China
Vor dreißig Jahren starb Elvis Presley. Doch bei den Chinesen hat er einen schweren Stand. Er ist ihnen einfach zu obszön.
Nicht dass es von weißen Hochzeiten bis hin zu Würstchenbuden nicht alles in China gäbe, was sich für die Menschen im Reich der Mitte irgendwie ulkig anfühlt und fremd - aber Elvis? Der Mann mit den dicken Lippen? Der Mann mit dem schlüpfrigen Hüftschwung? Fehlanzeige. Elvis und China, das ist ein Widerspruch in sich.
Komischerweise geht es dem Rock n Roll da anders. Er ist in China ein junges Phänomen und wurde dort Ende der 80er-Jahre als Protestkultur entdeckt. Nach einer kulturellen Eiszeit infolge der Niederschlagung der Demokratiebewegung auf dem Platz des Himmlischen Friedens kommen in Chinas Jugendkultur seit Mitte der 90er-Jahre mehr als 50 Jahre westliche Populärkultur gleichzeitig an. Dank der digitalen Revolution greift jeder nach allem, was ihm gefällt, und schert sich dabei erfrischenderweise wenig um Geschmacksgrenzen, die im Westen unpassierbar wären. So kommt es, dass mancher musikinteressierte Student auf seinem iPod Songs von Boy George und der International Noise Conspiracy, Lady Sovereign, Britney Spears, den Red Hot Chili Peppers und den Ramones zusammengewürfelt hat. Auch in den coolsten Plattenläden der großen Städte findet man alles von den Liars und Whitney Houston, von Tom Jones und Arcade Fire. Nur Elvis, der König, die Wurzel all dessen, Elvis ist einfach nie dabei.
Eine kleine E-Mail-Umfrage unter chinesischen Freunden hat ergeben: Selbst in Parallelwelten wie Macao, dem chinesischen Las Vegas, wurde noch kein chinesischer Elvis-Imitator gesichtet. "Könnt ihr ihn denn gar nicht leiden?" - "Elvis? Na ja, geht in Ordnung, aber ich bin kein Fan." Oder: "Ich kann ihn nicht leiden. Dieses süße Gesicht und dieser bewegliche Schritt. Der ist mir eindeutig zu beweglich." Oder auch: "Wusstest du, dass man Elvis in China Mao Wang nennt, den König der Katzen?" Katzen werden in China nicht gerade auf den Sockel des verehrten Haustiers gehoben - im Süden des Landes brät man sie sich in der Regel als Mittel gegen Fettleibigkeit. Elvis ist den Chinesen einfach zu obszön. Hier gilt als schön, wer dürr, blass und schmallippig ist.
Knutschende Pärchen sieht man noch immer eher im Fernsehen als im Park. Cui Jian, der Pate des Rock in China, der schon Ende der 80er-Jahre sang, was ihm auf der Seele lag, und dafür Auftrittsverbote bekam, hat einmal gesagt: "In China geht man nicht so einfach aus sich heraus. Direkte Konfrontation wird als unhöflich empfunden. Sich auf die Bühne zu stellen und über Gefühle zu singen, ist und bleibt den meisten Chinesen eher fremd."
Viele, die es trotzdem tun, greifen daher zu anderen Mitteln. Die einen, die im Radio laufen, singen mit dünnen Stimmchen und ohne Unterleib vom Warten auf den Prinzen, von enttäuschter Liebe und gebrochenen Herzen. Der musikalische Underground, die Mehrheit junger und energischer Bands, bezieht sich eher auf die körperfeindliche und wütende Kultur des Punk und auf die Wiederentdeckung des Rock n Roll durch die Helden Stiv Bators und Johnny Thunders. Mag ja sein, dass man heute als Mitteleuropäer gar nicht anders kann, als Elvis zu vergöttern. Irgendwie hat es trotzdem etwas Tröstliches, dass er in einem großen Teil der Welt womöglich niemals ankommen wird.
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