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Elvis auf Elektronisch

C. M. Smith tritt mit seiner funky One-Man-Show aus dem Koffer in Berliner Clubs auf

Der Mann kommt aus New Mexico, dem „Marlboro Country“. Doch Carlos M. Smith winkt ab. Santa Fé, sagt er, sei eine Kleinstadt mitten in der Wüste, „mit Sand, Kakteen, und Bergen.“ Langweilig wäre das, kein „Indiana Jones“-Leben. Na ja, immerhin hatte der seltsame Vampir-Film „From Dusk till Dawn“ mit dem hässlichsten Tarantino aller Zeiten in New Mexico sein Showdown. „Ja, aber nur, weil die Kulisse so öde ist, dass man dort wie verrückt fantasieren kann.“

Für ein Leben voller Abenteuer zog Carlos mit siebzehn Jahren in die Welt, erst nach San Francisco, wo er in einer Garagenband spielte, dann nach New York, um Kunst zu studieren. Er fuhr mit dem Rad durch Indien, sah Peru, Dänemark, Tchechien. Nun ist der Amerikaner mit spanischen Vorfahren in Berlin angekommen. Hier bleibt der Neunundzwanzigjährige, weil er das Leben als „sehr frei“ empfindet, „es gibt unterschiedliche Arten zu leben, und die Leute tolerieren sich.“

Im Klima der dicht gedrängten, sich ständig neu entwerfenden Lebensbilder feilt Carlos an seiner One-Man-Show: „Casa Electro Novo“ heißt dieses „Wunderwerk“ der Technik, zu dem der junge Mann mit maximalem Körpereinsatz agiert. Carlos' Musik kommt aus dem Koffer, wird mit Gesangs- und Turneinlagen gekoppelt und entfaltet sich zu einer exzentrischen Soft-Trash-Nummer, die in den Berliner Kellerbars und Ladengalerien gut ankommt.

Mittels winziger Soundtechnik, die Drumcomputer, Effektgeräte, Sampler und Sequenzer versammelt und im Koffer verborgen bleibt, erzeugt der Künstler einen eklektizistischen Musikmix. Das klingt sehr funky, nach Red Hot Chili Peppers, nach HipHop und manchmal nach Las Vegas. Dazu bewegt sich Carlos, als hätte er gerade einen Lee-Strasberg-Workshop im „Method Acting“ absolviert und wollte seine innere Mitte finden. Mit Sonnenbrille und Monsterkrawatte angetan, überzieht er die Posen des alternden Elvis als abgeschlunzter Geschichtenerzähler, tanzt Breakdance, läuft die Wände hoch, springt herunter, und landet zwei Zentimeter neben seinem Koffer. „Seit ich Teenager bin, habe ich die Idee, etwas Wildes zu tun“, sagt der Entertainer, „und das mache ich jetzt. Man sollte seine Träume aus der ‚Jugend‘ nicht aufgeben, man sollte sich ausleben.“

Beim seriösen „Wall Street Institute“ hingegen hat Smith einen Vertrag als Englischlehrer unterschrieben. Er amüsiert sich bei dem Gedanken an sein Doppelleben: „Nachts mache ich meine Show in Clubs, dreh mich auf dem Kopf und springe rum, und am nächsten Morgen um neun stehe ich mit meiner Brille vor erwachsenen Leuten und sage, das Wort musst du aber so schreiben und nicht so.“

Der Musiker hat nichts Geringeres vor, als den „Rock 'n’ Roll in Elektronik zu überführen“. Er simuliert Situationen, wie das Spiel eines Gitarrensolos, bei dem es keine Gitarre gibt, nur das Sample, das man endlos wiederholen und variieren kann. Riffspieler, meint Carlos lachend, sind überholt, die brauche man nicht mehr. Und dann platzt er heraus: „Ich bin Mick Jagger ohne Band“. JANA SITTNICK

C. M. Smith zeigt die „Casa Electro Novo“-Show bei der Siegerehrung der „Lomographic Sampling Games 2001“ im Maria am Ostbahnhof, Sonntag, 21 Uhr

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