Eltern in Berlin: Verdruss im Elternausschuss
Überraschend tritt der oberste Elternvertreter von Berlin, Günter Peiritsch, zurück. „Grabenkämpfe“ hätten die Arbeit unmöglich gemacht
Günter Peiritsch versucht am Sonntag, Harmonie zu verbreiten, so gut es geht. Mit seinem Rücktritt will er Druck vom Landeselternausschuss (LEA) nehmen, sagte er der taz. Peiritsch hatte am Freitag überraschend sein Amt als LEA-Vorsitzender niedergelegt. Zuletzt habe es dort immer wieder Konflikte mit anderen Elternvertretern gegeben, Grabenkämpfe hätten seine Arbeit zunehmend erschwert. Dabei war er erst im Januar als Vorsitzender wiedergewählt worden.
Der LEA setzt sich aus je zwei gewählten Mitgliedern der zwölf Bezirkselternausschüsse (BEA) zusammen. Die Mitglieder der BEA werden aus den ElternvertreterInnen der bezirklichen Schulen gewählt. Das Elterngremium LEA ist im Schulgesetz vorgesehen und soll „die schulischen Interessen“ der Eltern gegenüber der Senatsschulverwaltung wahrnehmen.
Drei Jahre lang war Peiritsch Vorsitzender des Gremiums. Er habe sich immer für dessen Öffnung nach außen starkgemacht, berichtet er – eine Reaktion auf die häufige Kritik, dass das Gremium ein in sich abgeschlossener, elitärer Zirkel sei.
Peiritsch setzte durch, dass sich jedes Elternteil in den Arbeitsgruppen einbringen konnte, und nicht nur stimmberechtigte Mitglieder. „Ich habe die offene Vorstandssitzung eingerichtet“, erklärte der bisherige oberste Elternvertreter. Das hat jedoch nicht nur Vorteile gebracht. „Es liegt in der Natur der Sache, dass dann Leute aus Bildungsinstitutionen kommen, die bislang keinen Zutritt hatten.“
Die neuen Freiheiten hätten die Arbeitsfähigkeit des Gremiums immer mehr behindert. 70 Personen und mehr hätten an den monatlichen Sitzungen des Ausschusses teilgenommen. „Die sachliche Arbeit wurde behindert“, so Peiritsch.
Ebenso haben die Arbeitsgruppen, die sich mit Detailfragen beschäftigen, Peiritsch Kopfschmerzen bereitet. „Sie haben ein Eigenleben entwickelt. Das lief aus dem Ruder.“ Es sei nicht geregelt, ob die AGs sich im Namen des LEA in der Presse unabgesprochen positionieren dürfen.
Als Reaktion auf die Öffnung wollte Peiritsch mit einer neuen Geschäftsordnung die Freiheiten wieder einschränken. Bei den neuen Regeln gehe es etwa darum, dass reglementiert werde, wer in der Ausschusssitzung Anträge stellen darf und wer nicht, sagt er. Auch werde klargestellt, dass die Pressearbeit der Arbeitsgruppen mit dem Vorstand abgesprochen werden muss.
Damit stieß er jedoch auf heftigen Widerstand, der Plan scheiterte. Das war ein Grund für den Rücktritt. Nun wolle er „Platz machen für eine Person, die in der Lage sein soll, die sich abzeichnenden Gräben zu schließen und wieder den Sachdebatten die Plattform zu geben“.
Den LEA-Vorsitz übernehmen zunächst kommissarisch Andre Nogossek vom BEA Charlottenburg-Wilmersdorf und Kathrin Schulz vom BEA Pankow. Nogossek bedauert den Rücktritt. „Aber es war richtig, um den Ausschuss wieder in ruhiges Fahrwasser zu bringen“, sagte Nogossek der taz. Peiritisch habe frischen Wind in das Gremium gebracht. Nogossek könne sich vorstellen, neuer Vorsitzender zu werden, falls er gebeten werde, aber er wolle sich nicht aufdrängen.
Peiritisch ist nach wie vor im LEA aktiv. Er will sich vor allem zum Thema Inklusion einbringen.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes wurde geschrieben, dass die Ausschusssitzung für alle Elternteile geöffnet wurde. Das ist nicht korrekt: Nur die Arbeitsgruppen des LEA sind für alle offen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken