Eltern in Berlin: Prenzeletten und Traumorgasmen
Die Elternmafia hat wieder zugeschlagen: Zwei Journalistinnen aus Prenzlauer Berg haben ein weiteres Buch über werdende Eltern geschrieben – leider.
BERLIN taz | Da ist er wieder, der Bugaboo, diese 1.000-Euro-Babykutsche. Gerade war er verschwunden aus den Feuilletons und den Kolumnen beherzter Muttis und Vatis, die ihrem Nachwuchs von der ersten Minute an mit Fürsorge, Anspruch und Stil begegnen. Und jetzt schiebt Caro so ein Ding vor sich her.
Caro hat ihn sich von ihrem Freund gewünscht – zur Geburt des gemeinsamen Sohnes. „Schenk mir keinen Ring oder Familienschmuck zur Geburt, sondern einen Bugaboo-Kinderwagen“, hat sie zu ihm gesagt. So zumindest steht es in dem Buch „Ich glaub, mich tritt ein Kind“. Das hat Caro geschrieben, zusammen mit Lisa. Es erzählt von hormonellen Ausfällen, unbegründeten Ängsten und neurotischen Anwandlungen – all jenen Erscheinungen, die eine werdende Mutter so heimsuchen.
Caro war so eine Schwangere. Aber sie musste damit nicht allein fertigwerden. Denn Caro hat Lisa. Und Lisa hat schon drei Kinder. Caro konnte Lisa alles fragen und Lisa hat geantwortet. Geht denn das, dicker Bauch und Sex? Dürfen Schwangere mit anderen Männern flirten? Wie hechelt es sich am schönsten?
Und weil das alles so furchtbar aufregend, so irre und einfach so unglaublich ist, haben Caro und Lisa daraus einen offenherzigen, Caros Gravidität dauernden Briefwechsel gemacht. Den haben die beiden Autorinnen, die vollständig Caroline Rosales und Lisa Harmann heißen und früher beide mal für das Springer-Boulevardblatt B.Z. geschrieben haben, in Prenzlauer Berg vorgestellt. In einer kleinen Buchhandlung nahe dem Helmholtzplatz und damit mittendrin in dem als Macchiatomütter-Oase verhöhnten Kiez. Caro, 30, wohnt hier – in einer „sündhaft teuren Dachgeschosswohnung“.
Ihr Mann arbeitet, damit sie sich drei Stunden am Tag in ihren Büchern verwirklichen und ansonsten Vollzeitmutter sein kann. Sagt sie selbst über sich. Lisa, auch 30, hat hier mal gewohnt. Ist aber zurück in ihre Heimat gezogen, auf einen Bauernhof im Bergischen Land.
Kaiserschnitte und Dolly-Buster-Titten
Der Buchladen heißt Moby Dick, zwei Handvoll Leute wollen hören, was Caro und Lisa zu sagen haben. Man herzt, küsst und kennt sich. Am Eingang sitzt ein Vater mit einem Baby vor seinem Bauch. Caro und Lisa lesen von Schwangerschaftsstreifen und Dolly-Buster-Titten, von Stillkissen und Plasmabildschirmen, von Vaginalzäpfchen und Kaiserschnitten. Die beiden Frauen kichern. Das Baby greint, der Vater geht vor die Tür. Im Buch steht was von echten Orgasmen im Traum und davon, dass Caro ihren Freund in den Spätkauf nach Keksen schickte.
Und da steht auch, dass Anja Maier doof ist. Sie hat ein anderes Buch über Mütter in Prenzlauer Berg geschrieben, ein „Hass-Buch“, wie Caro und Lisa finden. „Voll krass“, sagt Caro.
Caro und Lisa fühlen sich offenbar angesprochen von Maiers Buch. Darin schreibt die taz-Redakteurin über Bugaboo-Eltern, deren Kinder zum sokratischen Gespräch müssen. Über beheizte Buddelkästen und Babycchino. Über Schwaben, die aus ihren leisen Dörfern in die laute Stadt ziehen und Hauptstraßen zu verkehrsberuhigten Spielzonen machen wollen.
Tofu statt Süßigkeiten
Caros Sohn lernt Chinesisch, er muss Tofu essen und darf nicht einfach so hinfallen beim „ungesteuerten Spielen“. Aber Caro denkt nicht nur an ihren Sohn. Sie hat dafür gesorgt, dass in einem Supermarkt um die Ecke die Süßigkeiten von der Kasse verbannt wurden. Die Dinger heißen jetzt Familienkassen.
Zur Lesung haben Caro und Lisa einen Freund mitgebracht. Der soll am Anfang ein paar Worte sagen. Das macht er. Er sagt: „Da kommt jemand auf die Idee, ein Buch zu schreiben und daraus vorzulesen. Das macht ein gutes Gefühl. Alles andere ist Quatsch.“
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