: Eltern gegen Halbtagsschule
In Sachsen-Anhalt scheitert eine Elterninitiative: Sie wollte Grundschüler davor beschützen, von acht bis halb zwei die Schule besuchen zu müssen. Lehren aus Pisa?
BERLIN taz ■ Und sie müssen doch einen halben Tag in der Schule bleiben. Die Verfassungsbeschwerde gegen eine garantierte Halbtagsgrundschule in Sachsen-Anhalt war erfolglos. Die Eltern der Bürgerbewegung „ABC schützen!“ hatten sich dagegen gewehrt, dass Sachsen-Anhalt ihren Kindern gesicherte Öffnungszeiten von fünfeinhalb Stunden täglich in der Grundschule bietet – verpflichtend. Die Eltern wollten ihr Erziehungsrecht verteidigen. Das Landesverfassungsgericht in Dessau kam gestern zu dem Schluss, dass es kein Vorrecht des Elternrechts vor der Schulpflicht gibt.
Die Eltern von „ABC schützen!“ sehen durch die seit Beginn des Jahres geltende Grundschulpflicht mit festen Öffnungszeiten ihr gesetzliches Erziehungsrecht gefährdet. Sie wollen, so sagen sie, selbst die Entscheidung darüber treffen, ob die Kinder mit ihnen, der Familie zu Mittag essen, Angebote eines Sportvereins wahrnehmen oder an einer zusätzlichen Betreuung in der Schule teilnehmen. Die Idee, ein außerunterrichtliches Angebot einzurichten, sei gut – allerdings dürfe dies nicht durch Zwang erfolgen, so die Initiative.
Das neue Grundschulgesetz versucht umzusetzen, was nach der Veröffentlichung der Pisa-Schülerstudie von vielen als ein Reformelement des Schulsystems propagiert wird: eine längere und verlässlichere Betreuung von Kindern sowie das Nebeneinander von Unterricht, Freizeit und selbst organisiertem Lernen in der Schule. Für 62.500 Grundschüler Sachsen-Anhalts wechseln Unterrichtsstunden mit Sportaktivitäten und Erholungsphasen und der Wiederholung von Lernstoff ab. Für dieses Angebot wurden Hortkräfte als pädagogische Mitarbeiter bereitgestellt.
Nach der Auffassung des Kultusministers von Sachsen-Anhalt, Gerd Harms, ermöglicht eine Grundschule mit festen Öffnungszeiten eine Integration von Bildung, Erziehung und Betreuung in der Schule und stellt eine Verbesserung der pädagogischen Möglichkeiten der Schule dar. Insbesondere allein erziehenden Frauen werde es so erleichtert, Berufstätigkeit und Kindererziehung zu vereinbaren. Die Pisa-Studie habe gezeigt, sagte Harms, „dass die Grundschulerziehung ein sehr viel stärkeres Gewicht als bisher erhalten muss“. Auch für eine Betreuung am Nachmittag bestehe nach wie vor Anspruch auf einen Hortplatz, versprach er.
Die Bürgerbewegung vermutet ganz andere Gründe für die Maßnahme. „Das neue Grundschulsystem dient dazu, die nach dem Auslaufen des Hortgesetzes große Anzahl vom Land angestellter Hortnerinnen in der Schule weiter zu beschäftigen“, erklärte Hedwig von Beverfoerde, eine der Initiatorinnen von „ABC schützen!“ Dem Land sei es, so die Kritik, schwerpunktmäßig nicht um pädagogische Konzepte, sondern um die eigenen Personalprobleme gegangen.
CHRISTIAN JAKOB
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