Frauensport und Rassismus: Ein Profi namens Babe
Mildred „Babe“ Didrikson war Multi-Sport-Star: Läuferin, Basketballerin, Golferin – und mehr. Doch nicht alles in ihrer Biografie ist bewundernswert.

D ie erste Olympiasiegerin im Speerwurf ist gleichzeitig auch der bislang einzige Mensch, der bei Olympischen Spielen in je einem Wettbewerb in einer Wurf-, Sprung- und Laufdisziplin Medaillen gewinnen konnte.
Mildred Ella „Babe“ Didrikson war am 26. Juni 1911 als sechstes von insgesamt sieben Kindern norwegischer Einwanderer in Port Arthur geboren worden, und ein ausgesprochenes Multitalent. Auch im Handarbeiten, Singen und Mundharmonikaspielen war sie sehr gut, 1931 wurde sie zur südtexanischen Meisterin im Nähen gekürt, in den fünfziger Jahren nahm sie mit ihrer Freundin Betty Dood eine Platte auf.
Eine gute Schülerin war Didrikson, die ihren ursprünglichen Nachnamen Didriksen amerikanisiert hatte, dagegen nicht, sie musste die achte Klasse wiederholen und zog schließlich ohne Schulabschluss nach Dallas, um Basketballerin zu werden. Eine Versicherung hatte sie als Sekretärin angestellt, damit sie im Firmenteam Golden Cyclones spielen konnte. In der Saison 1931/32 wurden die Cyclones Meister der Amateursport-Organisation AAU.
Bei den Olympischen Spielen in Los Angeles 1932 gewann sie das erstmals ausgetragene olympische Speerwerfen der Frauen mit einer Weite von 43,69 Metern. Über die 80-Meter-Hindernis-Distanz unterbot sie dazu im Finale ihren eigenen, am Tag zuvor im Vorlauf aufgestellten Weltrekord. Im Hochsprung wurde sie allerdings nur Zweite hinter ihrer Teamkollegin Jean Shiley, obwohl beide Frauen die Höhe von 1,65 Meter problemlos übersprungen hatten. Die Kampfrichter entschieden jedoch, dass Didrikson bei ihrem Sprung nicht die vorgeschriebene Technik angewandt habe, und sprachen Shiley den Sieg zu.
Im Nachhinein betrachtet könnte die entgangene Goldmedaille eine Art ausgleichende Gerechtigkeit gewesen sein, denn Babe Didrikson hatte vor den Olympischen Spielen die als erste Schwarze Frauen für Olympia nominierten Leichtathletinnen Tidey Pickett und Louise Stokes angegriffen, die ebenfalls für das Team USA nominiert waren. Während einer Zugfahrt übergoss sie die beiden schlafenden Frauen mit eiskaltem Wasser, weil sie keine Schwarzen in der Mannschaft dulden wollte.
Gegen Schwarze Konkurrentinnen teilte Babe aus
„Einige Teammitglieder und Funktionäre verbargen ihre Vorurteile nicht“, sagte Pickett 1984 in der Fernsehdoku „Olympic Pride, American Justice“. Ein namentlich nicht genannter Lehrer erklärte laut den Autoren, dass Babe „Schwarze damals wirklich hasste und ihr Möglichstes unternahm, um sie zu provozieren und ihnen wehzutun“. Was natürlich die Frage aufwirft, ob eine Rassistin als Sportpionierin gefeiert werden darf. Andererseits: Solange Rassismus, Antisemitismus oder Frauenfeindlichkeit großer männlicher Sportstars lediglich am Rande erwähnt werden, stellt sich diese Frage eigentlich nicht.
Tidey Pickett und Louise Stokes sollten noch mehr Diskriminierungen erleben. Bei einem 1932 dem olympischen Team zu Ehren in Denver ausgerichteten festlichen Dinner durften sie das Brown Palace Hotel nicht wie alle anderen durch den Haupteingang betreten, sondern mussten einen Personaleingang durch die Küche benutzen.
Die angesichts ihrer sportlichen Leistungen bei den Spielen von Los Angeles für sicher gehaltenen Starts in den 100- respektive 400-Meter-Staffelläufen fanden nicht statt. Statt Louise Stokes durfte die weiße Läuferin Mary Carew starten, deren beste Laufzeiten lange nicht an die Leistungen ihrer Schwarzen Kollegin heranreichten. Gleichwohl gewann die Staffel Gold. Auch 1936 wurden beide Frauen nicht bei den Wettbewerben eingesetzt, ob Rassismus oder sportliche Gründe dafür ausschlaggebend waren, ist Experten zufolge unklar.
Babe Didrikson verlor nach den Olympischen Spielen 1932 ihren Amateurstatus, weil sie erlaubt hatte, dass ihr Name in einer Automobilwerbung verwendet wurde. 1938 heiratete sie den Wrestler George Zaharias – die Ehe verlief unglücklich – und verlegte sich aufs Golfspielen, umgehend wurde sie zum ersten weiblichen Star der Sportart. Didrikson gewann zunächst zahlreiche Amateurmeisterschaften für Frauen. Ein Jahr nachdem sie Golfprofi wurde, gelang ihr 1948 als erste Frau die Qualifikation für die US Open. Die Veranstalter teilten ihr jedoch mit, dass nur Männer startberechtigt seien.
1950 traf sie die Golferin Betty Dodd. Die Historikerin Susan Cayleff schreibt in ihrer 1996 erschienenen Didrikson-Biografie „Babe“, dass die beiden Frauen sich ineinander verliebten und Dodd sehr schnell bei Babe und ihrem Mann einzog. 1953 erkrankte Babe an Darmkrebs und engagierte sich fortan als Botschafterin der American Cancer Society.
Am 27. September 1956 starb Babe Didrikson im Alter von 45 Jahren an Krebs. 1975 erschien ein Film namens „Babe“ über ihr Leben, die Hauptrolle spielte eine Schauspielerin, die ihr Mann George Zaharias Anfang 1960 geheiratet hatte.
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