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Elke Wittich Erste FrauenFliegen trotz medizinischer und zudem polizeilicher Bedenken

Was Jeanne Geneviève Labrosse, die erste Frau, die jemals einen Fallschirmsprung aus einem Ballon wagte, damals am 10. November 1797 dachte, ist bedauerlicherweise nicht bekannt. Erhalten sind dagegen die Einwände der Pariser Polizei sowie der Akademie der Wissenschaften gegen Frauen, die Ballonfahrten unternehmen wollten, aber dazu kommen wir etwas später.

Jeanne Geneviève war 22 Jahre alt, als sie 1797 im Parc Monceau mutmaßlich fasziniert den ersten Fallschirmsprung aus einem Ballon heraus des studierten Physikers und Luftfahrtpioniers André-Jacques Garnerin beobachtete. Garnerin wurde von den Zuschauern begeistert gefeiert, kurz darauf wurde Jeanne seine Schülerin und etwas später seine Ehefrau.

Die erste weibliche Ballonfahrerin wurde sie jedoch nicht – allerdings bildete sie 1798 gemeinsam mit „Bürgerin Henri“, wie die junge Pariserin Célestine Henri allgemein genannt wurde, die erste reine Frauencrew.

Soviel Emanzipation gefiel allerdings nicht allen Franzosen. Dass Männer und Frauen gemeinsam in einem Ballonkorb durch die Lüfte fahren, war zumindest für die Pariser Polizei eine ungeheuerliche Vorstellung.

Nachdem Garnerin ebenfalls 1797 ankündigte, zum ersten Mal mit einer Frau – „Mensch anderen Geschlechts“ nannte er die Bürgerin Henri – eine Fahrt zu wagen, verbot ein Kommissar namens Picquemard das Ganze. Garnerin habe nämlich auf die Frage, ob er sich nicht darum sorge, dass durch den Luftdruck schlimme Auswirkungen auf „die empfindlichen Organe eines jungen Mädchens“ entstehen könnten, rundheraus mit Nein geantwortet. Er gehe nicht davon aus, dass das passieren könne. Auch polizeiliche Sicherheitsbedenken, die vor allem darin bestanden, dass die Begleiterin plötzlich durch Angst hervorgerufene Zuneigung zu ihm empfinden und zudringlich werden könne, teilte er nicht. In einer Zeitung erschien zudem eine Kurzmeldung, wonach zwei Personen unterschiedlichen Geschlechts in einem aufsteigenden Ballon ein „unanständiges und unmoralisches Schauspiel“ sei. Innen- und Polizeiminister intervenierten auf Garnerins Bitten hin schließlich und gaben bekannt, dass der Anblick eines Mannes und einer Frau in einem Ballon auch nicht anstößiger sei als eine gemischtgeschlechtliche Kutschfahrt. Darüber hinaus könne man Frauen nicht daran hindern, das zu tun, was Männern erlaubt sei.

1799 konnte Jeanne schließlich zur Fallschirmpionierin werden: Sie sprang aus 900 Metern Höhe aus einem von ihrem Mann entwickelten Wasserstoffballon. Garnerin schrieb darüber: „Ihr Triumph macht sie unsterblich, er vereitelt die Bosheit, zerschmettert die Schlange.“ Damit war offenbar anonyme Hetze gemeint, die durch ein „abscheuliche Pamphlet“ verbreitet wurde.

1801 heiraten die beiden, zwei Jahre später führen sie ihre Ballonkünste zu Ehren von König Friedrich Wilhelm III. in Berlin vor. Sogar eine Radierung wird ihnen gewidmet, das von Christoph Haller von Hallerstein 1803 angefertigte Werk zeigt beide im Profil, Jeanne trägt ein damals hochmodernes weißes Chemisierkleid aus zartem Musselin mit hoher Taille und weitem Ausschnitt. Diese neue Mode erlaubte Frauen, zum ersten Mal auf Korsetts, Reifröcke und andere Unbequemlichkeiten zu verzichten – war also ideal für sportliche Betätigungen.

André-Jacques Garnerin starb am 18. August 1823 in Paris, er wurde beim Befüllen eines neuen Ballonprototypen von einem Balken tödlich am Kopf getroffen.

Gemeinsam mit einer anderen unerschrockenen Frau eröffnete seine Witwe später ein kleines Restaurant. Die erste Fallschirmspringerin der Welt starb am 7. März 1847 im damaligen 10. Arrondissement von Paris. Ihr Grab ist nicht erhalten geblieben.

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