piwik no script img

Elite-UniversitätenDer Osten in der Falle

Die Millionenzuschüsse für Elite-Unis werden wohl am Osten vorbeigehen. Die Ost-Unis sollen lieber das Studentenhoch aus dem Westen aufnehmen.

Auf dieser Treppe in der Bibliothek der TU Cottbus, werden wohl doch keine Eliten - sondern schnöde Studenten aus dem Westen wandeln. Bild: dpa

DRESDEN taz Keine Elite-Uni im Osten? Da kann Georg Unland, Rektor der Universität im sächsischen Freiberg, nur schmunzeln. Die edle kleine Bergakademie Freiberg hat es Anfang des Jahres geschafft, den Coup in der deutschen Hochschullandschaft zu landen. Sie bekam 20 Millionen Euro und obenauf ein Stiftungsvermögen im dreistelligen Millionenbereich, aus dem künftig ein regelmäßiger Geldstrom in die Uni fließen wird. Freiberg hat nur 4.600 Studenten und - bislang - ein Jahresbudget von 75 Millionen Euro. Einziger Schönheitsfehler: Der Freiberger Geld stammt nicht etwa aus den staatlichen Millionenzuschüssen für Elite-Universitäten, sondern von einem privaten Förderer.

ELITE-UNIS UND EXZELLENZCLUSTER

Am Freitag geht die Auswahl deutscher Elite-Unis in die zweite Endrunde. Acht Hochschulen sind noch scharf auf den Titel - und vor allem auf die Millionen-Zuschüsse: die beiden Berliner Universitäten Freie und die Humboldt-Uni, die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, die Ruhr-Universität Bochum, die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, die Universität Konstanz und die Ruprechts-Karls-Universität Heidelberg sowie die Georg-August-Universität Göttingen.

Ziel der Exzellenz-Initiative war es, mehr Geld in die Hochschulen zu pumpen - und deutsche Spitzenunis international sichtbarer zu machen. Insgesamt fließen knapp 2 Milliarden Euro. Für ein Elite-Graduiertenkolleg fließen 1 Million Euro, die Exzellenzcluster (Forschungskooperationen) bringen 6,5 Millionen Euro, für den Titel Elite-Universität erhalten Unis 25 Millionen Euro - pro Jahr. Insgesamt läuft die Eliteförderung fünf Jahre, dann wird neu ausgeschrieben

Im Vergleich zu Freiberg sieht es an anderen Ost-Hochschulen eher finster aus. Am Freitag wird in Bonn verkündet, wer alles auf Millionenzuschüsse als Elite-Universität hoffen darf - aus dem Osten wird so gut wie keine Hochschule dabei sein.

Für den klangvollen Titel Elite-Uni kommt keine Ost-Uni mehr infrage - sieht man von der Humboldt-Universität Berlin ab, die allerdings nach der Wende konsequent mit Westpersonal aufgefüllt wurde. Auch bei den Extrazuschüssen für so genannte Forschungscluster und Doktorandenschulen liegen noch ganze 6 Anträge von den Ost-Unis vor. Sie kommen aus Erfurt, Jena und Leipzig. Zum Vergleich: Im Westen bewerben sich 78 Unis um Forschungs- und Doktorandenzuschüsse, und 7 Hochschulen machen sich Hoffnung auf den Titel Elite-Uni. Entsteht eine eliteunifreie Ostzone?

"Der Wettbewerb um die Exzellenzförderung kommt für uns noch zu früh", meint Klaus-Erich Pollmann, Rektor der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. In den ersten Jahren nach 1990 haben ostdeutsche Hochschulen eine ähnlich dramatische Umstrukturierung erfahren wie die Wirtschaft. Ideologisch verdächtige Altkader, gerade in den Fakultäten für Philosophie, Jura, Ökonomie und Politik, mussten gehen, ein massiver Stellenabbau setzte ein. Axel Burchardt, Sprecher der Friedrich-Schiller-Universität Jena, schätzt, dass eine reelle Aufholjagd der Ost-Unis in Wirklichkeit erst seit etwa sieben Jahren einsetzen konnte. Das lag auch daran, dass es hier lange am wichtigsten Kleingeld in der Wissenschaft mangelte - an der Vernetzung mit der westlichen scientific community. Außerdem fehlten Ost-Vertreter in der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Peer Pasternack, Analyst am Institut für Hochschulforschung an der Uni Halle-Wittenberg, hat im August eine "Forschungslandkarte Ostdeutschland" herausgegeben. Er beobachtet, dass die Ostländer bei der Finanzierung der Hochschulen das Ihre längst beitragen: 16,3 Prozent der Etats kommt aus den Landeskassen - das entspricht knapp dem Bevölkerungsanteil Ostdeutschlands. Katastrophal sieht es hingegen bei der privat finanzierten Industrieforschung aus.

Nur 4,3 Prozent der bundesweiten Ausgaben fließen im Osten. Das bedeutet: Auch die Unis leiden unter der Deindustrialisierung in den neuen Bundesländern. Sogar in der TU Dresden, Forschungsflaggschiff im Osten, spürt man das. Obwohl vorbildlich mit außeruniversitären Instituten und High-Tech-Konzernen vernetzt, erhält sie nur ein Drittel ihrer externen Forschungsmittel aus der Wirtschaft.

So ist denn Dresdens Rektor Hermann Kokenge unzufrieden mit dem Verlauf der Exzellenzinitiative. Er wünscht sich, dass "auch die Entwicklungsdynamik als Elite-Kritierum einbezogen wird". Seine TU nämlich sei in allen Rankings auf dem Vormarsch, drohe bei den Elitezuschüssen aber auf Dauer abgehängt zu werden. "Geförderte Hochschulen können sich weiter absetzen", beklagt Kokenge. Die TU Dresden war die große Forschungshoffnung des Ostens, der Titel Elite-Uni blieb ihr aber versagt. Bei der zweiten Runde am Freitag ist sie nicht mehr in der Auswahl. Und wer dann den Titel nicht bekommt, muss auf Jahre hinaus darauf verzichten.

Der Magdeburger Rektor Pollmann spricht schon anklagend von einem verzerrten Wettbewerb. "Es stellt sich die Frage, ob eine solche Mittelkonzentration wie in der Exzellenzinitiative vernünftig ist", so Pollmann. 2 Milliarden Elite-Euros fließen insgesamt - und das zu 90 Prozent in den Westen. Eine der negativen Folgen ist in Jena, Magdeburg oder Dresden unbestritten: Es wird viel schwerer, talentierten Nachwuchs oder umworbene Spitzenprofessoren an die Universität zu binden. Dabei geht es nicht nur um kräftige Zulagen beim Salär und um die materielle Forschungsausstattung - sondern auch um den Faktor, eben nicht mit dem Renommee einer Eliteuniversität prahlen zu können (siehe Text unten).

Wovor die Universitäten im Osten keine Angst haben, ist der Mangel an Studenten - und das, obwohl hier bald der Nachwende-Geburtenrückgang spürbar werden wird. Schon jetzt gibt es eine kleine Studentenwanderung Richtung Osten. Die Uni Jena will "studentenfreundlichste Stadt Europas" werden, Dresden hat soeben mit 7.500 Erstsemestern wieder 500 Anfänger mehr als im Vorjahr immatrikuliert. Ob das allerdings für den großen nationalen Auftrag reicht, dem die Ost-Hochschulen nach Einschätzung von Experten zukünftig genügen müssen? Sie sind nämlich, so die Hoffnung der Fachleute, dazu auserkoren, das neue deutsche Studentenhoch aufzunehmen.

Die Zahl der Studenten soll von derzeit 2 Millionen auf 2,5 Millionen bis 2013 hochschnellen - ein Zuwachs freilich, der allein im Westen stattfinden wird. Unter anderem weil dort wegen der Verkürzung der Gymnasialzeit im Jahre 2012 zwei komplette Abiturjahrgänge auf die Unis zukommen. In Stuttgart, Köln und Hamburg weiß niemand, wohin mit den vielen Studierwilligen. Daher hat Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) bereits die Idee eines nicht ganz freiwilligen Ost-Studienjahrs ventiliert. Wenn es nicht genug Platz in den baden-württembergischen Unis gebe, so Oettinger, dann müsse man über Gastsemester nachdenken - in Ostdeutschland.

Der Studentenstrom West könnte allerdings am Geld scheitern. Der Hochschulpakt 2020, ein Sonderprogramm zur Förderung der Lehre, ist bisher nur mit 1 Milliarde Euro dotiert. Nötig für den Studentenboom wären aber nach Berechnungen des Centrums für Hochschulentwicklung in Gütersloh 15 Milliarden Euro. Hochschulexperte Pasternack wünscht sich daher eine neue Form von Förderung. "Ich möchte einen Wettbewerb, der weder Forschung noch Lehre allein, sondern möglichst alle Kriterien berücksichtigt." Voran dies, ob eine Hochschule auch "Motor regionaler Innovationssysteme" ist, die eventuell in der Lage sind, die anhaltende Landflucht aus dem Osten zu stoppen.

Erforschen könnte die Landflucht eine neue Graduiertenschule in Jena. Sie soll sich mit "menschlichem Verhalten bei sozialem und wirtschaftlichem Wandel" befassen. Allerdings geht dies nur, wenn sie am Freitag den Zuschlag als Doktorandenschule bekommt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • RM
    Robert Mortenson

    Hallo,

    es gibt neben den offiziellen Kulten - durchaus noch andere Wege -ins nächste Level!

    Die Bergakademie in Freiberg/ Sachsen z. B.:

    Zitat:

    Mit der Dr. Erich Krüger Stiftung erhielt die TU Bergakademie Freiberg im Dezember 2006 das mit einem dreistelligen Millionenbetrag[1] größte Stiftungsvermögen einer staatlichen Hochschule in Deutschland. Die Universität erhält damit aus dem ihr übertragenen Immobilienvermögen des Münchner Unternehmers und gebürtigen Freibergers Peter Krüger jährlich auf unbegrenzte Zeit ca. 20 Millionen Euro. Dies entspricht in etwa dem Betrag, den die ausgewählten Universitäten der Exzellenzinitiative erhalten. Am 13. Juli 2007 verstarb Krüger, der kurz zuvor zum Ehrensenator der Bergakademie ernannt wurde, in München. (Quelle Wikipedia)

    Viele Grüße