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Elfmeterschießen bei der EMWarum Frauen so gut vom Punkt treffen

Werden mal ein paar Elfmeter verschossen, wird die Leistung von Frauen im Fußball grundsätzlich angezweifelt. Männer trifft ein solcher Reflex nicht.

Drin isser: Linda Dallmanns straker Elfer gegen Frankreich Foto: Bernadett Szabo/ reuters

W as jetzt? Können Frauen etwa doch Elfmeter schießen? 6:5 endete das Wettschießen vom Punkt zwischen Deutschland und Frankreich. Elf Elfmeter in einem Elfmeterschießen wurden verwandelt. Nur drei Schützinnen haben nicht getroffen. Verrückt! Noch ein paar Stunden zuvor hatten sich die üblichen Klugscheißer in den üblichen sozialen Medien noch allen Ernstes die Frage gestellt, warum Frauen keine Elfmeter schießen können. Auf sportschau.de wurde das Thema ebenso diskutiert wie auf der Webseite der Frankfurter Allgemeinen.

Die Spurensuche nach den Gründen für die vielen Fehlschüsse – von 25 Versuchen waren bis Samstagabend nur zwölf erfolgreich – lieferte dem misogynen Netzmob weiteren Stoff für die üblichen Witzeleien. Man solle den Punkt zwei, drei Meter nach vorne verlegen. Oh je! Schießen mal ein paar Fußballerinnen daneben, heißt es gleich, dass Frauen nicht schießen können. Bei Männern gibt es so etwas nicht.

Als die Schweiz es fertiggebracht hat, bei der WM 2006 im Elfmeterschießen gegen die Ukraine kein einziges Mal zu treffen, ist niemand der Frage nachgegangen, warum Männer so schlechte Elfmeterschützen sind. Und als bei der Männer-EM im vergangenen Jahr das zehnte Eigentor gefallen ist, ist niemand auf die Idee gekommen zu fragen, warum die Männer auf dem Fußballplatz so große Orientierungsprobleme haben. Ob der Netzmob Frauen eine solche Eigentorquote durchgehen lassen würde? Wohl kaum.

Alles wieder gut

Aber jetzt, nach dem Elfmeterschießen im Spiel der Deutschen gegen Frankreich ist ja alles wieder gut. Es wurde getroffen, dass es eine wahre Freude war. Die deutsche Torhüterin Ann-Katrin Berger war ebenso sicher wie Linda Dallmann oder die Französin Sakina Karchaoui. Auf die Texte, warum Frauen so gut vom Elfmeterpunkt treffen, wird man dennoch vergeblich warten.

Derartige Verallgemeinerungen werden nur bemüht, wenn es darum geht, Frauen herabzuwürdigen. Fußballschiedsrichterinnen in Deutschland wissen das nur allzu gut. Ein paar Fehlpfiffe in der Bundesliga und es heißt: So geht es nicht weiter, Männer müssen her! Die deutsche Spitzenschiedsrichterin Riem Hussein, die 2021 das Champions-League-Finale zwischen dem FC Chelsea und dem FC Barcelona gepfiffen hat, meinte dazu mal, dass sie als Schiedsrichterin immer stellvertretend für alle Frauen in die Pflicht genommen wird. Wenn in der Männerbundesliga weiter so bescheiden gepfiffen wird wie in der Vorsaison, wird dagegen keiner auf die Idee kommen zu fragen, warum sich Männer mit der Spielleitung verdammt noch mal so schwertun.

Und noch was: Die vielleicht deppertsten Fehlschüsse vom Punkt in der deutschen Fußballgeschichte sind von Männern abgegeben worden. Uli Hoeneß (im Elfmeterschießen der Deutschen im EM-Finale gegen die ČSSR 1976) und Bastian Schweinsteiger (im Elfmeterschießen des Champions-League-Finales 2012 gegen den FC Chelsea). Männer haben es wirklich nicht drauf.

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Andreas Rüttenauer
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13 Kommentare

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  • 1) "Auf die Texte, warum Frauen so gut vom Elfmeterpunkt treffen, wird man dennoch vergeblich warten." : Warum schreibt der Autor dann keinen entsprechenden Text?

    2) "Und noch was: Die vielleicht deppertsten Fehlschüsse vom Punkt in der deutschen Fußballgeschichte sind von Männern abgegeben worden. Uli Hoeneß (im Elfmeterschießen der Deutschen im EM-Finale gegen die ČSSR 1976) und Bastian Schweinsteiger (im Elfmeterschießen des Champions-League-Finales 2012 gegen den FC Chelsea). Männer haben es wirklich nicht drauf.": Könnte es vielleicht daran liegen, dass Frauen in der Historie des Fussballs bislang noch garnicht die Möglichkeit hatten, derart entscheidende Elfer zu verschiessen?

  • Ich erinnere mich auch noch an ein Männerendspiel, Bayern München-Dortmund war es glaube ich. Da fielen die Elfmeterschützen reihenweise hin.

  • Dem ist Nichts hinzuzufügen! 👍

  • Finde es nur wichtig zu erwähnen dass wenn man sich z.B. die Kommentare zu den Spielhighlights auf YouTube oder bei den einschlägigen Zeitungen durchließt die überwältigende Mehrheit positiv gegenüber den Spielerinnen sind.(selbst bei Seiten wie Welt-online)

    • @Wabbel:

      Jetzt. Nachdem das deutsche Team ein Elfmeterschießen gewonnen hat. Tun Sie sich einen Gefallen und schauen Sie sich nicht den Kommetarbereich der Artikel nach dem Schweden-England-Spiel an. Ganz übel. Aber die Welt-Online Kommentarspalte ist sowieso nur etwas für Masochist:innen.

  • Ich denke, vordergründig geht es um das Überhöhen der eigenen Männlichkeit.



    Absolut peinlich und auch frauenfeindlich!



    Wer aber stets nach unten tritt und seine eigenen Unzulänglichkeiten derart zu kaschieren versucht, nutzt jede Gelegenheit, nicht nur Frauen.



    Man sucht sich Opfer, die vermeintlich unter einem stehen.



    Und bemerkt dabei nicht, wie sehr Mann sich outet.

  • In der ARD wurde Frau Schult mit dieser Frage behelligt. Ich hatte es live gesehen und wusste überhaupt nicht wo das auf einmal herkam.



    "Müssen wir jetzt ernsthaft übers Elfmeterschießen bei dieser EM und generell bei den Frauen sprechen?" Das war vom Moderator sicherlich gut gemeint im Sinne von - jetzt darf eine fachkompetente Frau im Fernsehen die Gegenpositin klarstellen. Als jemand, der diesen Unsinn vorher nicht gehört hatte, war ich aber sehr überrascht.



    Diese Vergleiche sind extrem albern, finden in den TAZ-Kommentarspalten und auch im Artikel aber auch in umgekehrter Richtung statt, mit vergleichbarem Erkenntnisgewinn, wenn auch vermutlich in sehr viel geringerer Dimension.

  • Ja, die Frauen waren richtig gut - die französischen wie die deutschen. Ein bisschen Glück braucht man natürlich immer - und eine gute Torhüterin.



    Habe ich mich vielleicht geärgert, als Herr Hoeneß den Ball im Nachthimmel von Belgrad versenkte. Viel mehr hat mich jedoch seine arrogante Art beim FC Bayern München geärgert, bevor er wegen Steuerhinterziehung erst einmal pausieren musste. Solche Verhaltensweisen werden wir von den Fußballerinnen wohl nicht zu sehen bekommen.

  • Sehr geehrter Herr Rüttenauer, vielen Dank für Ihren Artikel! Ich habe ihn mir ausgedruckt, damit ich ihn in meinem Freundeskreis herumreichen kann. Hätte eine Frau diesen Artikel geschrieben, würde es heissen: "guck, die Frauen beschweren sich mal wieder, die können echt nur jammern".



    Umso erfreulicher ist es, dass ein Mann den Kern der Dinge beim Namen nennt: das Leben im Patriarchat.



    Warum sonst reagieren Männer so absolut unausstehlich, wenn Frauen es wagen, "ihren" Sport auszuüben? Oder sich in irgendeiner anderen Weise erdreisten sich sportlich mit Männern zu messen? Und wenn ich schon mal dabei bin, Klischees anzuprangern - Ich höre nie von gemeinen Kommentaren von Frauen über Männer die kochen oder stricken oder Yoga ausüben oder mit ihren Kindern spielen. Die negativen Kommentare über diese Männer kommt ebenfalls von Männern. Ist es wirklich zu utopisch zu hoffen, dass das patriarchale Denken irgendwann aufhört? Meiner langen Lebenserfahrung nach zu urteilen bin ich eher pessimistisch.

  • ."..deppertsten Fehlschüsse..." Naja, 1976 und auch 2012 hatten die Frauen noch gar keine bzw. nicht viele Möglichkeiten Elfmeter öffentlichkeitswirksam zu verschießen, um damit anschließend in die Hall-of-fame der Peinlichkeiten zu kommen. Insofern hinkt der Vergleich etwas. Abgesehen davon reden wir hier über Fußball. Wenn Männer schlecht spielen oder amüsante Sprachunfälle von sich geben wird darüber gelästert was das Zeug hält und man weiß es sowieso besser als der Bundestrainer. Wenn das bei Frauen auch geschieht, zeugt das eher von Normalität als von Misogynie. "Männer haben es wirklich nicht drauf." Vielleicht sollte man einen Artikel, in dem man vermeintliche Misogynie anprangert, nicht mit Misandrie beenden. Aber hey, es ist Fußball, da darf gelästert und geflucht werden....

    • @Nachtsonne:

      Sie haben den Punkt nicht verstanden, Nachtsonne. Wenn ein Mann etwas verbockt, wird über diesen Mann gelästert, nicht Männern allgemein die Kompetenz abgesprochen. Dass bei Frauen so häufig genau letzteres passiert, ist die leider misogyne Normalität.

      • @SinoDino:

        Echt? Wenn ein Mann in Partnerschaft mal wieder die Hausarbeit verbockt, nicht über Geburtstage Bescheid weiß oder zum wiederholten Mal das gleiche unkreative Weihnachtsgeschenk hervorzaubert, dann wird nur über diesen bestimmten Mann gelästert, und nicht Männern allgemein Empathie für andere bzw. die Fähigkeit zu diesen Dinge (Sauberkeitsempfinden, Wasch- und Putzskills, Kreativität) abgesprochen? Verrückte Normalität.N

      • @SinoDino:

        So ist es!