Elfenexperte über Bauarbeiten in Island: „Auf mich wirkt das sehr rational“
In Island mussten Bauarbeiter einen Felsen freilegen und putzen, um die darin vermuteten Elfen zu besänftigen. Verrückt? Ach was, meint Wolfgang Müller.
In Island ist bei Straßenarbeiten versehentlich ein Elfenfels zugeschüttet worden. Kurz darauf war die Straße überflutet, ein Bauarbeiter hat sich verletzt, mehrere Maschinen funktionierten nicht mehr, ein Journalist fiel beim Besuch der Baustelle in eine Matschgrube. Das isländische Straßenbauamt vermutet dahinter die Rache der Elfen und ordnete an, dass der Felsen wieder freigelegt und geputzt wird.
Taz: Spinnen die Isländer?
Wolfgang Müller: Warum? Ich glaub nicht, dass die Isländer spiritueller oder irrer sind als andere, ich halte sie manchmal sogar für realistischer. Sie akzeptieren, dass es Dinge gibt, die man nicht erklären, vorhersagen oder kontrollieren kann. Wenn in Deutschland Bauarbeiten unterbrochen werden müssen, werden dafür gern technisch-rationale Gründe angegeben, auch wenn die gar nicht beweisbar sind.
Aber der aktuelle Fall wirkt auf mich recht leicht erklärbar: Die Straße kann vom Regen überflutet sein, der verletzte Bauarbeiter und der Journalist waren einfach tollpatschig.
Die Elfen sind ja bloß Metaphern für Naturgewalten und Unvorhergesehenes. Das muss man gar nicht so mystisch aufladen, man könnte auch einfach sagen: Es gab starken Regen, dahinter stecken wohl die Elfen. Das gibt den Isländern eine gewisse Gelassenheit. Es macht sie aber nicht etwa zu religiös-heidnischen Fanatikern.
Immerhin gibt es in Island eine Frau, die sich „Elfensprecherin“ nennt und als solche auch immer wieder in den Medien erklärt, wie Elfen ticken. Das ist doch schon ein bisschen gaga?
war bis 2020 Redakteur beim NDR. Philosophie und Kulturgeschichte sind seine Herzensthemen. Zuletzt erschien: „Zumutung Anthroposophie. Rudolf Steiners Bedeutung für die Gegenwart“.
Gaga finde ich es nicht, eher medial hochgepuscht. Medien lieben solche Personen, klar bekommt auch sie Redezeit. Andererseits: Warum akzeptieren wir nicht, dass jeder Mensch seine eigene Wahrnehmung hat und manche Leute andere Dinge sehen? Ich finde die Idee sehr poetisch, dass man unvorhergesehene und unerklärliche Dinge mit der Elfenmetapher erklärt. Das zeigt doch Offenheit.
Was hätten die Elfen in Island denn noch alles anrichten können?
Das weiß man nicht, das ist der jeweiligen Fantasie überlassen. Elfen sind ambivalent, wie der Mensch. Sie können zornig werden, aber auch sehr hilfsbereit sein. In der isländische Mythologie ko-existieren die Elfen friedlich neben den christlichen Engeln.
Nun wird der Felsen wieder freigelegt und geputzt. Wird das die Elfen besänftigen?
Dahinter steckt sicher auch Marketing. Elfen sind ja ein wichtiger Tourismusfaktor in Island. Erfunden oder gefunden wurden sie in vorchristlichen Zeiten und stehen eigentlich für eine Utopie. Island war mal eines der ärmsten Länder Europas, es war oft kalt und dunkel, die Menschen hungrig. Damals war die Vorstellung, dass es eine Elfenwelt gibt, eine sehr wärmende und erhellende, ein Science-Fiction. Das hat sich bis heute gehalten und verkauft sich eben aktuell in einer Zeit mit abgeschaffter Utopie sehr gut.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken