piwik no script img

Porträt: Helgrit Fischer-Menzel Elf Tage danach

■ Warum der Rücktritt der Sozialsenatorin ebenso unumgänglich wie überfällig war

Es gab keinen politischen Beobachter in dieser Stadt, der im Herbst vorigen Jahres auch nur einen Pfennig auf eine Senatorin Helgrit Fischer-Menzel gesetzt hätte. Daß die 49jährige einer neuen Regierung nicht mehr angehören würde, galt als „so gut wie sicher“. Um so überraschender war, daß SPD-Bürgermeister Ortwin Runde sie im November erneut in den Senat berief. Dessen 100-Tage-Bilanz überlebte sie um gerade elf Tage.

Die heftigsten politischen Prügel wegen ihrer Amtsführung hatte die Senatorin für Arbeit, Gesundheit und Soziales (seit 1993) Anfang vorigen Jahres einstecken müssen, als sie aus Kostengründen das traditionsreiche Hafenkrankenhaus auf St. Pauli schloß. Nach anhaltendem Protest in der Bevölkerung ließ der damalige Bürgermeister Henning Voscherau sie auf unfeine Art öffentlich im Regen stehen.

Um das drohende schlechte Abschneiden der Sozialdemokraten bei der Bürgerschaftswahl nicht nur auf St. Pauli in Grenzen zu halten, legte der Senat ein Konzept für eine Ambulanz in der bereits geschlossenen Klinik vor. Fischer-Menzels Rücktritt, von verschiedenen Seiten und auch aus der SPD gefordert, schien damals nur eine Frage von Tagen zu sein; eine zweite Amtsperiode als Senatorin galt als nahezu ausgeschlossen.

Eine unglückliche Figur hatte sie bereits beim „Malaria-Skandal“um das als „Tropeninstitut“bundesweit bekannte Bernhard-Nocht-Institut abgegeben. Dessen Leiter, Professor Manfred Dietrich, hatte sie wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung von Malaria-Patienten mehrere Kündigungen geschickt, die allesamt vor dem Arbeitsgericht keinen Bestand hatten. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Dietrich endeten ergebnislos.

Vor Gericht kam dafür ein enger Mitarbeiter der Senatorin, der Regierungsdirektor Reinhard Hollunder. Er wurde wegen einer Falschaussage im „Malaria-Skandal“zu einer Geldstrafe von 6000 Mark verurteilt. Die CDU-Opposition hatte mehrfach den Rücktritt Fischer-Menzels gefordert.

In der Affäre um den Altonaer SPD-Politiker Michael Pape verweigerte Fischer-Menzel der Bürgerschaft Einsicht in die Akten des Beschäftigungsträgers Altonaer Jugendarbeit. Als dessen Geschäftsführer hatte Pape aus ABM-Mitteln bezahlte Beschäftigte und Materialien für private Häuser zweckentfremdet. Er wurde 1994 zu zehn Monaten auf Bewährung verurteilt, verlor seinen Posten und seine Parteiämter.

Die studierte Soziologin Fischer-Menzel war von 1982 bis 1993 in leitenden Positionen in der Hamburger Umweltbehörde tätig. Zuvor hatte die Mutter zweier Söhne zehn Jahre lang als Stadtplanerin im Büro des FDP-Politikers Martin Kirchner gearbeitet und war von 1982 - 1991 Vorsitzende des SPD-Kreises Nord, der Hochburg der Parteilinken, gewesen. Nach der Bürgerschaftswahl 1993 hatte sie sich als mittlerweile stellvertretende SPD-Landesvorsitzende (seit 1991) für eine rot-grüne Koalition stark gemacht. Dennoch holte sie Bürgermeister Voscherau in den Senat als Nachfolgerin des heutigen Regierungschefs Ortwin Runde, der damals in die Finanzbehörde wechselte.

Mit Peter Fischer, der seit sieben Jahren Geschäftsführer der Alida-Schmidt-Stiftung ist, ist die gebürtige Niedersächsin seit Anfang 1974 verheiratet. Nächstes Jahr ist Silberhochzeit.

Sven-Michael Veit

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen