Elektronische Patientenakte: Langer Weg zur Gesundheitskarte
Die Gesundheitskarte wird nach jahrelangem Hickhack endlich ausgegeben. Kritiker der Patientenakte im Chip-Format könnten darauf aber auch verzichten.
BERLIN taz | Mancher Beobachter hatte schon nicht mehr daran geglaubt. Doch nach jahrelangem Hickhack wird ab Donnerstag die sogenannte elektronische Gesundheitskarte (eGK) ausgegeben. Den Praxistest der neuen "e-Card" wagt die Region Nordrhein mit ihren insgesamt rund neun Millionen gesetzlich Versicherten.
Dort wollen die Kassen bis Jahresende 100.000 Karten verteilen. Bis Ende 2010 sollen alle 70 Millionen gesetzlich Versicherten in Deutschland das Plastikkärtchen besitzen, das dann die bisherige Versichertenkarte ersetzt.
Auf den ersten Blick ist die elektronische Gesundheitskarte bloß ein weiterer Datenträger im Scheckkartenformat, auf dem ein Porträtfoto des Versicherten prangt. In der Anfangsphase müssen auf ihm nur zwei Dinge gespeichert werden: Zum einen die Verwaltungsdaten, also Name des Patienten, Versicherungsstatus, Krankenkasse und Geburtsdatum.
Zum anderen das "elektronische Rezept". Dieses kann künftig der behandelnde Arzt auf der Karte hinterlegen, und in der Apotheke wird es an einem Lesegerät eingelöst. Freiwillig speichern können Patienten zudem einen "Notfalldatensatz".
Doch seit Jahren wehren sich insbesondere Ärztevertreter wie der Kassenzahnärztliche Bundesverband gegen die Einführung der Karte. Diese sollte ursprünglich schon Anfang 2006 die Versichertenkarte ablösen. So sah es das entsprechende, 2004 von Rot-Grün verabschiedete Gesetz vor. Die Proteste entzünden sich vor allem daran, dass die Karte mittelfristig zur elektronischen Patientenakte werden soll.
Das Ziel: Der Patient soll stets über alle Daten zu seinem Gesundheitsstatus verfügen können. Er oder sie soll dabei entscheiden können, welcher Arzt welche Daten einsehen darf. Wenn verschiedene Ärzte einem Patienten beispielsweise mehrere Medikamente verschreiben, soll dies schnell einsehbar sein.
Dadurch lassen sich aus Sicht der Befürworter Nebenwirkungen oder wechselseitige Unverträglichkeiten vermeiden. Diese Zusatzfunktionen werden jedoch frühestens im kommenden Jahr nutzbar sein.
Erst dann werden nach Schätzung der Betreiberfirma Gematik in allen Arztpraxen die neuen Kartenleseautomaten stehen. In diese steckt der Patient seine e-Card. Um die teilweise auf einem Server gespeicherten Patientendaten lesen zu können, muss der Arzt sich durch seinen "elektronischen Heilberufsausweis" identifizieren.
Bislang haben selbst in der Region Nordrhein erst rund ein Drittel der rund 15.000 Arztpraxen das Lesegerät installiert. Dabei zahlen bis Ende September die Kassen rund 1.000 Euro für den Apparat und dessen Aufbau.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen