Elbpanorama in Gefahr: Petition für ein paar Pappeln
Hamburg will seinen Hafen mal wieder erweitern. Diesmal soll eine Pappelreihe fallen, die Anwohnern der Elbvororte die Aussicht verschönert.
O h Gott, bloß nichts gegen den Hamburger Hafen! Die Seele der Stadt. Und ihre Gelddruckmaschine. Das Chinageschäft läuft, wie man hört, gerade gut. So gut, dass Wachstumsraten vermeldet werden, das gab es in den vergangenen Jahren auch nicht immer.
Der Hafen brummt derzeit, das ist auch vom bewohnten Elbufer aus zu sehen, die Schiffe kommen, die Ladekräne arbeiten, die Container krachen. Aber selbst in Hamburg ist der Hafen nicht alles, und so hört er flussabwärts irgendwann auf. Noch vor der Einfahrt nach Finkenwerder sind auf der anderen Elbseite nicht mehr Ladekräne und Kaimauern zu sehen, sondern: Bäume.
Genauer gesagt sind es vor allem Pappeln, die sich da auf einem Kilometer aufreihen, eine Wohltat für das Auge zwischen dem Hafen und dem Airbuswerk, das weiter flussabwärts liegt. Ihre Silhouetten am anderen Ufer sind vom Elbstrand aus zu sehen, einem beliebten Ausflugsziel. Da sitzen die Leute und gucken drauf. Nur vielleicht nicht mehr lange: Die Pappeln sollen weg.
Bekannt wurde das schon im Sommer, damals luden Hafen und Senat zu einer prominent besetzten Barkassenfahrt, um zu zeigen, wie toll und modern sich der Hafen auf der anderen Elbseite weiter ausbreiten würde. Zwei neue Liegeplätze, auf dem neusten Stand der Technik, vollautomatisiert, dafür würde ein altes Hafenbecken hinter den Pappeln zugeschüttet. Und die Landspitze hin zu den anderen Terminals würde ganz wegkommen, um den Wendekreis für die immer größeren Schiffe zu erweitern.
Franz Hermann, Initiative „Elbwald retten“
Die Resonanz war allerdings verhalten. Noch nicht lange, da hatten die Zahlen beim Hamburger Hafen stetig abwärts gezeigt im Vergleich zu der Konkurrenz in Rotterdam und Antwerpen, ganz zu Schweigen von den boomenden Häfen in Shanghai und Singapur. Wozu das viele Geld – die Rede war von fast zwei Milliarden Euro – ausgeben für einen Hafen, dessen Zukunft ungewiss scheint?
Damals gründete sich der Verein „Elbwald retten“, der das Pappelmassaker verhindern will. „Wir sind nicht gegen den Hafen“, sagt der Vorsitzende Franz Hermann. Die Sache mit dem größeren Wendekreis kann er verstehen, er zweifelt aber an der Sinnhaftigkeit der neuen Liegeplätze, denen das Gros der Bäume zum Opfer fallen soll. „Der Hafen ist doch gar nicht ausgelastet“, sagt Hermann. „Wo soll denn der Bedarf herkommen?“
Tatsächlich sind die Pläne für die Erweiterung des hinter den Bäumen liegenden Eurogate-Terminals alt. Der Planfeststellungsbeschluss ist von 2016 und enthielt rosige Zukunftsprognosen, die von einer Verdoppelung des Containerumschlags ausgingen. Trotz des kleinen Aufschwungs in diesem Jahr ist der Hafen von solchen Zahlen weit entfernt.
Sehr viel wahrscheinlicher ist, dass die Wiedergeburt der Erweiterungspläne mit der Suche von Eurogate nach einer Reederei zusammenhängt, die bei dem Hamburger Terminal einsteigt. Im November wurde bekannt, dass die französische Reederei CMA CGM 20 Prozent übernimmt.
Handfeste Interessen
Damit wäre dann genug Kapital da, um das Terminal auf den neusten Stand der Technik zu bringen. Um das laufende Geschäft nicht zu gefährden, soll das nebenan geschehen – eben auf der neu zu schaffenden Fläche, auf der die Bäume stehen.
Das sind handfeste Interessen. Ob sich ein Verein dagegen durchsetzen kann? „Wir fangen jetzt an zu sammeln“, sagt Franz Hermann. Es soll eine Volkspetition werden, wenn 10.000 Unterschriften zusammen sind, muss sich die Bürgerschaft damit befassen.
„Die Resonanz ist positiv“, sagt Hermann, der am Elbstrand oft mit seinem Hund spazieren geht. „Die Leute sind ganz erschrocken, wenn ich ihnen sage, dass die Bäume weg sollen.“
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