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Eklat in RostockCDU nicht mehr gänzlich gegen NPD

Die Bürgerschaft in Rostock war sich bislang einig: NPD-Anträge werden abgelehnt. Jetzt kündigt die CDU den Konsens auf - ohne weitere Erklärung.

CDU, aufgepasst! Anti-Nazi-Protest in Rostock im Jahr 2010. Bild: dpa

HAMBURG taz | Das Verhalten der CDU in der Rostocker Bürgerschaft überraschte. In der Hansestadt stimmten erstmals nicht alle Abgeordneten um den CDU-Fraktionsvorsitzenden Dieter Neßelmann gegen einen NPD-Antrag. Die Mehrheit der Fraktion verließ bei der Abstimmung über die Umbenennung der Ilja-Ehrenburg-Straße den Saal.

"Mit dem Verhalten unterlief die CDU den Konsens, mit allen anderen Parteien geschlossen gegen die NPD zu stimmen", sagt Steffen Bockhahn, Bürgerschaftsabgeordneter von der Linkspartei. Auf der letzten Bürgerschaftssitzung vor der Sommerpause, am 29. Juni, brachten zwei NPD-Abgeordnete den Antrag ein, die Straße nicht mehr nach dem russischen Schriftsteller zu nennen. Die NPD störte, dass Ehrenburg während des Zweiten Weltkriegs die Rote Armee aufrief, die Deutschen im Kampf nicht zu schonen. Dass Ehrenburg Jude war, störte die Partei nicht minder.

In gut zwei Monaten wird in Mecklenburg-Vorpommern der Landtag neu gewählt. Die NPD ist sehr bemüht, durch gesellschaftliche und kommunalpolitische Zuspruchgewinnung wählbar zu erscheinen. Die NPD-Fraktion, von Udo Pastörs angeführt, will wieder in den Landtag. "Klare Grenzziehungen sind dringend geboten", sagt Bockhahn, der für die Linke auch im Bundestag sitzt. Die CDU äußerte sich bis Redaktionsschluss nicht.

Dass der Antrag keine Mehrheit fand, war für die NPD nicht entscheidend. Erstmals gelang es ihr, den Konsens der anderen Parteien aufzubrechen. Ein Erfolg, vor dem Hubertus Buchstein, Professor an der Universität Greifswald, und Gudrun Heinrich, Doktorin an der Universität Rostock, in einer Studie zum Rechtsextremismus warnen. Das Aufkündigen der überparteilichen Vereinbarung durch die CDU dürfte der Auseinandersetzung in der Partei selbst geschuldet sein. Seit Monaten fordert auch der CDU-Kreisverband eine Namensänderung.

Der Verlauf der Abstimmung dürfte auch das Pressefest ihrer Parteizeitung Deutsche Stimme bestimmt haben. Am Wochenende kamen über 2.000 Mitglieder und Freunde der NPD in Sachsen zusammen. Als einer der Hauptredner trat Pastörs auf, dessen Fraktion, neben vielen anderen Gruppen, einen Infostand ausrichtete.

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16 Kommentare

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  • TS
    Thomas Seidel

    http://www.mvpo.com/index.php?id=56&tx_ttnews[tt_news]=3927&cHash=78d08c2fc4af4b25a910a27ceca2ca30

     

    Na nun weiß man ja, wer hinter mvpo steckt

  • HK
    Holger Körner

    Die Zensur meines Beitrags von gestern, zeigt, wie es um das Demokratieverständnis der TAZ bestellt ist: Meinungsvielfalt, ja gerne, aber es sollte schon unsere Meinung sein ...

  • N
    Nico

    Aus Prinzip sollte niemals einem Antrag der NPD zugestimmt werden. Selbst wenn er lauten würde, eine bestimmte Straße von Schlaglöchern zu befreien (als simples Bsp., nur um zu verdeutlichen, was ich meine).

     

    Wer es immernoch nicht bemerkt hat: Die NPD benutzt ständig irgendwelche scheinbar harmlosen Poititionen für sich um sich den Anstrich einer normalen Partei zu geben.

  • Q
    Querulant

    Erleben wir bald die nächste Parteifusion am rechten Rand?

  • K
    Konrad

    @ Prinz Albert

     

    Sie haben vollkommen Recht: Die Rote Armee war das mit Abstand wichtigste Werkzeug bei der Zerschlagung des Nationalsozialismus in Deutschland. Anders gesagt: Deutschland musste diesen Krieg verlieren, alles andere hätte desaströse Folgen für Europa bedeutet und ein gigantisches Blutbad bedeutet. Und ich habe ja vorher schon geschrieben, dass "der Hass" verständlich war. Nur hier geht es darum, dass nach Ehrenburg eine Straße in Deutschland benannt wurde. Die NPD brachte dagegen einen Antrag, die CDU unterstützte den Antrag. Da wurde ich beim Lesen hellhörig, normalerweise kann dass niemals sein, dass die CDU mit der NPD stimmt. Die CDU hätte nicht mit der NPD stimmen sollen, sondern dagegen stimmen und später selbst einen entsprechenden Antrag stellen. Ich maße mir nicht an das Gesamt-Werk Ehrenburgs zu interpretieren, allerdings disqualifiziert für mich seine Hass-Propaganda ihn als Vorbild. Und letztlich sollten Straßen, Häuser, Plätze, Preise nach Vorbildern benannt werden.

     

    MFG

  • BP
    BRUNO (NICHT PROBLEM BÄR)

    Mein-Gott-Nein, dass darf doch jetzt nicht wahr sein!

     

    Nun liebäugeln die Schwarzen schon in den Braunen Stall!!!

     

    Nach Gelb kommt Braun oder wie soll man(n)und Frau das jetzt verstehen !?!

     

    Ich fass es nicht!!!!!!

  • PA
    Prinz Albert

    @ Konrad

    ich finde ihre Vorstellung ein wenig Grotesk das jemand der Opfer vom Nationalsozialismus (Familie, Freunde oder Bekannte verloren) geworden ist ab Mai 1945 wider gut auf Deutschland und die Deutschen zu sprechen sein soll. Ein Hass auf die Deutschen, ob er tatsächlich so extrem bei Ehrenburg vorhanden war sei mal dahingestellt, ist nur verständlich und nachvollziehbar und lässt sich nicht so einfach abschalten weshalb er (der Hass) auch nach dem Ende des 2 Weltkrieges seine Berechtigung hatte zu existieren (der Hass).

    Und es ist auch egal was er der Roten Armee eingetrichtert hat, ich bin froh das es diese Armee gegeben hat und danke ihr das sie Deutschland vom Faschismus befreit hat, mit all den Nebenwirkungen!

  • K
    Konrad

    @ chincorro

     

    Das erste mal stieß ich auf Ehrenburg während meiner Schulzeit. Bereits damals war ich entsetzt über den menschenverachtenden Kontext seiner “Flugblätter”. Um eines klar zu stellen: Ich verabscheue zutiefst den NS-Vernichtungskrieg im Osten und schäme mich als deutscher Patriot für diesen beispiellosen Zivilisationsbruch. Aber der kurze Auszug Ehrenburgs war beinahe unerträglich zu lesen. Diese Verachtung und dieser Hass… Auf Nachfrage bei meinem Lehrer lieh er mir ein Buch zum Propagandakrieg zwischen Sowjets und Nazis aus. Der Titel ist mir heute leider unbekannt, ich versuche ihn gerne für Sie zu recherchieren. Darin waren Ehrenburgs Flugblätter (beinahe) in vollem Umfang zu lesen… Ein erschütterndes Zeugnis häßlichster, menschenverachtender Propaganda. Später stieß ich noch einmal auf Ehrenburg in dem Buch “Verführungen der Gewalt” auf das ich mehr zufällig in einem Buchladen 2005 stieß (das Buch war zum Thema 50 Jahre Kriegsende, es handelt sich hierbei nicht um das Buch meines Geschichtslehrers). Auch dort empfand ich Ehrenburgs Auslassungen deckungsgleich mit den Nazi-Schweinereien. Ich muss zugestehen: Ich bin über die weiteren schriftlichen Arbeiten Ehrenburgs nicht informiert, kenne ihn nur als inhumanen Propagandisten. Ich habe auf Ihren Hinweis hin bei Wikipedia nachgeschlagen und war sehr überrascht über den umfangreichen Artikel. Scheinbar hat Ehrenburg ja noch ein großes literarisches Werk hinterlassen. Ehrlich gesagt: Mir ist das heute ein wenig zuviel zu lesen, werde selbiges aber die nächsten Tage nachholen. Und klar: ein Mann wie Ehrenburg wurde auch von den Nazis als “Munition” für ihre Propaganda ge(miss-)braucht. Aber lesen Sie bitte einmal die Flugblätter Ehrenburgs durch! Das ist einfach zuviel. Ich will ja noch Verständnis für die äußeren Umstände aufbringen unter den Ehrenburg so empfand, aber er hat sich nie nach dem 2.Weltkrieg davon distanziert, seine Texte gehen sehr viel weiter über das Ziel der “normalen” Propaganda gegen den Gegner hinaus und wie man ihn letztendlich auch bewerten will - eine Straße sollte nicht nach solchen Leuten benannt werden. Für mich steht er aus humanen Gesichtspunkten auf einer Stufe mit den Nazi-Propagandisten. Übrigens: Ich habe als Konservativer absolut nichts gegen eine “Ernst-Thälmann-Straße”, oder einen “Rosa-Luxemburg-Platz” - aber Ehrenburg? Nein!

     

    MFG

  • D
    docvonstock

    Sehr merkwürdige Kommentare sind hier zu finden. Mir scheint dieser Herr Konrad ist Mitglied in einem alternativen Tannenbergbund - Ludendorff lässt grüßen. A Propos Rechtsreaktionäre - Münster hat derzeit auch ein Problem mit dem Hindenburgplatz. Der soll auch umbenannt werden. Als Angehöriger der ersten Nachkriegsgeneration darf ich dem Herrn Konrad wohl sagen, dass zum einen Ilja Ehrenburg wegen seiner beißenden Satiren unter Stalin nicht wohlgelitten, sondern seine Werke verboten waren. Zum Anderen ist der Deutschenhass nun wirklich nur zu verstehen, wenn man den gesamten Umfang der Nazi-Gräuel ins Auge fasst, statt sie zu relativieren oder gar zu leugnen. Der Morgenthauplan sah auch ein Deutschland vor, dass genauso elendig leben sollte wie die Sowjetbürger unter der deutschen Besatzung. Aber diese amerikanischen Staatsbürger werden heute als unsere wahren Retter und Freunde gefeiert. Außerdem braucht man gar nicht so weit zu reisen. Die Bevölkerung in den Ardennen ist ebenso heute noch uns gegenüber feindlich gesinnt, wenn es um die deutsche Besatzung in Belgien geht. Auch das ist verständlich.

     

    Aber eine Partei, die jenen Nazi-Schergen wieder Unterschlupf und Ämter gewährte, braucht sich natürlich auch nicht an einen Konsens mit demokratischen Parteien zu halten. Es sei denn man meint den Konsens mit der NPD, das hat doch auch etwas Verbindendes - nicht wahr Herr Konrad?

  • F
    Fordler

    Eine Übereinkunft grundsätzlich Anträge einer bestimmten Partei abzulehnen ist nicht demokratisch.

    In der nichtpolitischen Welt würde das Kartellamt einschreiten müssen.

  • C
    chinchorro

    @Konrad:

    hast Du dazu Belege? Ich kenne das Werk nicht aus erster Hand aber der umfangreiche und gut belegte Wikipedia-Artikel zB spricht da eigentlich eine ganz andere Sprache und es wird auch gezeigt, dass das extrem negative Bild von Ehrenburg gezielt von der Nazipropaganda gefördert wurde.

  • JL
    julius lieske

    Es wächst zusammen was zusammengehört.

  • T
    Tolstoi

    Immerhin schrieb er: "Es gibt nichts Schöneres für uns als deutsche Leichen." Die Rotarmisten drehten "aus den Zeitungsblättern, auf denen seine Artikel standen, keine Zigaretten" (Anna Seghers). Sie lasen auch von Ehrenburgs Abneigung gegen das deutsche Mädchen, "das blonde, lockere, unersättliche Gretchen".

     

    Selbst der "Prawda" war das 1945 zuviel: "Eine Abart des mit dem Sowjetgeist unvereinbaren Rassenhasses."

     

    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46369462.html

  • M
    mario

    Moin,

     

    das ist wohl erst der Anfang.

    Wenn die FDP gestorben ist, braucht die CDU einen neuen adäquaten Koalitionspartner für die Zukunft.

     

    Gruß

  • K
    Konrad

    Ganz klar: Die CDU sollte auf keinen Fall mit der NPD stimmen. Keine Diskussion!

     

    Aber Ilja Grigorjewitsch Ehrenburg war nun wirklich ein fanatischer Deutschenhasser. Für ihn gab es nur "Die Deutschen", sie waren nie Menschen für Ehrenburg, auch nicht nach dem 2.Weltkrieg. Zweifelsohne ging der Vernichtungskrieg von Nazi-Deutschland aus und damit wurden auch nur zu verständliche Hassgefühle in der russischen Bevölkerung ausgelöst. Aber Ehrenburgs Propaganda war weit mehr. Wenn man seine Schriften durchliest kommt man zu dem Ergebnis ihm ginge es um die Vernichtung der deutschen Bevölkerung und keineswegs um die Befreiung der eigenen Heimat. Ehrenburgs Propaganda ist mehr - sie steht (für mich, sicherlich sind andere anderer Meinung) auf einer Stufe mit der nationalsozialistischen Gräuel-Propaganda vom Untermenschentum. Ich bin ziemlich überrascht, dass in Deutschland (!) eine Straße nach diesem Hassprediger benannt ist. Gibt es in Russland eine Joseph-Goebbels-Straße? Die anderen Fraktionen (Linke, SPD, CDU) sollten selbst einen Antrag zur Umbenennung der Straße geben.

     

    MFG

  • V
    vic

    Ohne Erklärung?

    Ich hätte das eine...