Eishockeystar Felski im Interview: „Du lernst erst zu gewinnen, wenn du verlierst“

Eisbär Sven Felski beendet seine Karriere. Ein Gespräch über Vereinstreue, Ost-Fans und ein Wohnzimmer aus Wellblech.

Frank Hoerdler, Richard Regehr und Sven Felski (v.l.n.r.) nach dem Gewinn der Meisterschaft im April 2012. Bild: reuters

taz: Herr Felski, die NDW-Band Grauzone sang einmal „Eisbär’n müssen nie weinen“. Bei dem Spiel am Samstag wird das schwierig, oder?

Sven Felski: Ich habe mir da noch nicht so viele Gedanken drüber gemacht. Es kann durchaus sein, dass die eine oder andere Träne kommt. Es wird emotionale Momente geben, ist ja klar nach so vielen Jahren.

Wie war es im vergangenen Oktober für Sie, als Ihnen der Vereinsarzt sagte, es sei besser aufzuhören?

Vielleicht war es das richtige Signal des Körpers zur rechten Zeit. Insgesamt bin ich gut durch 20 Jahre Profi-Eishockey gekommen – die eine oder andere langwierige Verletzung ist ja normal. Und es scheint ein guter Zeitpunkt, um abzutreten.

Warum?

Vom Verlauf meiner Karriere geht’s eigentlich gar nicht besser: In den vergangenen Jahren wurden wir immer erfolgreicher, es ging stetig aufwärts. In den ersten sieben oder acht Jahren habe ich eine Zeit erlebt, wo der Verein finanzielle und sportliche Probleme hatte, wo wir gar nicht erfolgreich waren. Aber auch das prägt einen Menschen.

38, hat von 1985 bis 2012 aktiv beim SC Dynamo Berlin und dann beim Nachfolgeverein, den Eisbären Berlin, gespielt. Seit 1992 war er Profi-Eishockeyspieler und hat genau 1.000 Liga-Spiele für den Club bestritten, 927 davon in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL). Darin erzielte der Angreifer mit der Rückennummer 11 insgesamt 224 Tore. Er saß aber auch so lange auf der Strafbank wie kein anderer in der DEL: 1.770 Minuten - insgesamt also knapp 30 Stunden.

Mit den Eisbären wurde Felski zwischen 2005 und 2012 sechs Mal Deutscher Meister. Im Oktober 2012 musste er nach einer Knieverletzung seine Karriere beenden. Seit März 2013 studiert er an der Hochschule für Gesundheit und Sport in Berlin. Er macht den Bachelor in Sport und angewandter Trainingswissenschaft. (jut)

Inwiefern?

Manche kennen die Situation des Misserfolgs gar nicht, auch Spieler, die jetzt im Verein sind. Die kamen erst kürzlich nach Berlin und kennen es nur so, wie es jetzt ist. Ich glaube, es ist wichtig zu lernen, mit Niederlagen und Tiefpunkten umzugehen. Du lernst erst zu gewinnen, wenn du mal verloren hast.

Und in den 90ern haben Sie öfter verloren.

Ja.

Haben Sie auch mal gedacht: Jetzt hab ich keine Lust mehr?

Ich musste fast 31 werden, bis ich das erste Mal Meister wurde. Da fragt man sich schon: Schaffst du das eigentlich nie? Ein bisschen Hockey spielen können wir ja auch. Aber wenn man dem Verein im Misserfolg treu bleibt und dann noch so oft Meister wird, ist es umso schöner.

Welche Spiele sind Ihnen am besten in Erinnerung?

Es sind viele Situationen, die man im Kopf hat. Zum Beispiel aus der allerersten Saison überhaupt, im Jahr 1992. Und dann natürlich, als wir 2005 erstmals Deutscher Meister wurden.

Können einen nach all den Jahren schmerzhafte Niederlagen wie die bei den Playoffs 2010 gegen Augsburg noch schocken?

Gerade durch meine Vorgeschichte bei den Eisbären konnte ich das sehr gut verarbeiten.

Wegen Ihrer Treue zum Verein wurden Sie mal als „Auslaufmodell in einer globalisierten Sportwelt“ bezeichnet.

Ich bin 20 Jahre als Profi im selben Verein gewesen. Außer Mirko Lüdemann bei den Kölner Haien und mir gibt es das ja kaum noch. Mein Bestreben war es immer, mit dem Heimatverein unsere Sportart zu vertreten. Nicht nur in Berlin, sondern im ganzen Land. Du liebst ja deine Sportart, da willst du die auch nach vorn pushen.

Was kann Eishockey noch weiter nach vorne bringen? Spiele wie jenes im Januar im Nürnberger Fußballstadion?

Ich glaube, so etwas funktioniert nicht jedes Jahr.

Es gab Überlegungen, auch in Berlin mal ein Spiel in einem Fußballstadion auszutragen. Könnten Sie sich ein Match im Union-Stadion vorstellen?

Das wäre eine Möglichkeit, aber erst mal wäre es vielleicht in Köln oder Düsseldorf realistischer.

Jetzt spielen Sie ein letztes Mal im Wellblechpalast. Was ist das Besondere an dieser Halle?

Für mich persönlich ist es mein Wohnzimmer. Hier habe ich mit drei oder vier Jahren mit Eiskunstlauf begonnen, hier halte ich mich seit über dreißig Jahren auf. Und dann war der Wellblechpalast immer die lauteste Spielarena. Es war eine unglaubliche Stimmung hier. Das sagen nicht nur die Berliner.

Hat Eishockey eine große Rolle für den Stadtteil Hohenschönhausen gespielt?

Es war erst ein lokales Phänomen und ist dann gewachsen. Als wir zum ersten Mal Meister wurden, hatte man noch das Gefühl, es ist ein lokaler Verein. Jetzt sind wir ein Berliner Verein. Auch wenn ich nicht mehr hier wohne [Felski lebt heute in Pankow, d. Red.], fühle ich mich noch sehr verbunden mit dem Stadtteil.

Wie war der Wechsel in die große Arena 2008?

Für den Verein war sie notwendig. Wir haben die modernste Halle in Deutschland, vielleicht in Europa. Für die Weiterentwicklung des Clubs war es wichtig – etwa wenn man wie derzeit European Trophy spielt.

Aber man hat auch in der vergangenen Saison gesehen, welche Konflikte die Kommerzialisierung mit sich bringt.

Da ging es um die Ticketpreise, die wurden vier Jahre gar nicht erhöht, das hätte man vorher verhindern können. Dann wäre es nicht so eskaliert. Ich glaube, die meisten Fans haben eingesehen, dass es notwendig ist.

Warum ist aus Ihnen eigentlich kein Eiskunstläufer geworden?

Ich hab sieben Jahre Eiskunstlauf gemacht, aber die künstlerische Ader war nicht wirklich vorhanden. Die Trainer haben gesagt: Alles schön und gut mit den Sprüngen, aber wie du dir hier die Handgelenke verdrehst, das funktioniert nicht. Ich hab das Schlittschuhlaufen dadurch aber perfekt erlernt.

Und wann kamen Sie zum Eishockey?

Mit elf Jahren.

Haben Sie sich damals schon die Spiele der ersten Mannschaft angeschaut?

Ja klar.

Immer gegen Weißwasser.

Genau. Wenn man die beiden Teams gesehen hat, hat man immer schon die besten Spieler gesehen.

Damit wären wir bei der DDR-Zeit. Stört es Sie, wenn der Verein immer noch mit dem alten Ostteil Berlins und dem Osten generell assoziiert wird?

Schon. Alle sagen immer, wir sollen mal eine Stadt und ein Land werden und zusammenwachsen, deshalb finde ich solche Zuschreibungen daneben. Wenn die Fans „Dynamo“ rufen, habe ich kein Problem, das ist die Tradition des Vereins. Aber „Ost-Ost-Ost-Berlin“ finde ich nicht in Ordnung. Wir sind der Berliner Eishockeyverein.

Ab Montag sind Sie einfach nur Sportstudent. Wie behagt Ihnen denn das Studentenleben?

Erst mal bin ich der Älteste in meiner Klasse, leider Gottes mit Abstand. Das ist aber auch interessant, weil die Kommilitonen alles nur aus der Theorie kennen und die Praxis fast gar nicht. Bei mir ist es genau umgekehrt.

Fühlen Sie sich überqualifiziert nach so langer Zeit als Profi?

Nein, ich lerne ja auch dazu. Ich habe zum Beispiel noch nie eine Hausarbeit geschrieben.

Bekommen Sie nun auch Einblick in Sportarten, die Ihnen vorher fremd waren?

Nein, ich war eigentlich immer sehr sportaffin. Basketball und Fußball habe ich sowieso verfolgt.

Heute sind Sie für viele Berliner Eishockeyspieler ein Vorbild. Hatten Sie auch mal ein Idol?

Nein. Mich haben immer viele Sportler interessiert, das war nicht auf einen beschränkt. Mich hat eher interessiert, was aus den Leuten aus unserer Schule am Sportforum geworden ist. Stefan Kretzschmar, Claudia Pechstein, Franziska van Almsick und ich – wir waren ja alle hier.

Wird Sven Felski mal Trainer der Eisbären Berlin?

Man soll ja nie nie sagen, aber erst mal ist es nicht auf der Agenda. Wichtig ist eher, dass man dem Verein erhalten bleibt. Auf welche Weise, ist zweitrangig.

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