Eishockey: Wo der "stille Don" das Sagen hat
Die Eisbären Berlin starten in die letzte Saison im alten Wellblechpalast in Hohenschönhausen. Im nächsten Jahr steht der Umzug in die neue Sportarena an.
Eigentlich hätte Don Jackson mit der größten Gelassenheit in diese Pressekonferenz gehen können. Schließlich genießt der US-Amerikaner bei den Eisbären Berlin einen großen Vertrauensvorschuss. Als die Vereinsführung im Juni den Eishockeycoach von den Düsseldorfer Metro Stars unter Vertrag nehmen konnte, sprach man allseits vom Wunschtrainer.
Doch als Jackson am Mittwoch zum Start der neuen Saison Rede und Antwort stehen sollte, wirkte er angespannt. Sehr angespannt. Anfangs saß der 1,95 Meter große Hüne wie schockgefroren da. Die Hände lagen steif und fest zusammengefaltet auf dem Tisch. Sein Blick verlor sich im Nichts. Lediglich seine Lippen bewegten sich ganz leicht, während die Vereinsbosse der Eisbären gerade noch ein paar einleitende Worte sprachen.
Wie man sich im Nachhinein erschließen konnte, war Jackson dabei, sein Statement in Deutsch stimmlos einzuüben. Er trug es dann kurz darauf auch nahezu unfallfrei vor. Im Wesentlichen sagte er in drei, vier Sätzen, dass er bislang mit der Vorbereitungsphase sehr zufrieden ist. Nichts Überraschendes also, aber selbst das ist keine leichte Übung, wenn man wie Jackson des Deutschen nicht mächtig ist.
Dieser kleine Erfolg lockerte den 51-Jährigen jedoch kaum auf. Jackson ist grundsätzlich kein Freund der öffentlichen Rede, weshalb er auch "der stille Don" genannt wird. Die Eisbären-Führung schätzt Jacksons zurückhaltende Art. In der letzten Saison litt der Verein nämlich unter der Geschwätzigkeit seines damaligen Cheftrainers Pierre Pagé.
Nach zwei gewonnenen Meisterschaften lief bei den Eisbären in der letzten Spielzeit so gut wie alles schief. Man zählte nicht einmal zu den besten acht und verpasste damit die Play-offs. Pagé schalt vor den Medien seine disziplinlosen Spieler, die Fehlplanungen des Club-Managements und die Arbeit seines Konditionstrainers. Das erzeugte natürlich erhebliche Missstimmungen innerhalb des Vereins.
Das wird mit dem "stillen Don" bestimmt nicht passieren. Er gilt auch deshalb als Idealbesetzung, weil er bereits als Assistent mit Pagé zusammengearbeitet hat. Das unter Pagé entwickelte sportliche Konzept soll bei den Eisbären nämlich fortgeführt werden. "Ich behalte die guten Dinge bei und versuche manches vielleicht noch besser zu machen", sagte Jackson. Er wolle wie Pagé schnelles und offensives Eishockey spielen lassen und dabei auch auf die vielen jungen Nachwuchstalente vertrauen. Am Sonntag kann das Team beim Saisonauftakt in Mannheim schon mal zeigen, ob es die hohen Anforderungen erfüllt.
Der Verein hofft nun darauf, dass das Projekt mit Jackson in einem ruhigeren und menschlich angenehmeren Rahmen weiterentwickelt werden kann. Im Unterschied zu Pagé pflegt der neue Trainer seine Spieler nicht öffentlich an den Pranger zu stellen. An Jacksons Wesen sollen die Eisbären genesen, so könnte das Motto für die nächste Zeit lauten.
Und spätestens in einem Jahr, wenn die Eisbären dann in der neuen Hightech-Arena am Ostbahnhof spielen werden, soll in Berlin wieder Spitzeneishockey geboten werden. Geht es nach Don Jackson, dann stellt sich der Erfolg auch schon früher ein. Das Ziel müsse der Gewinn der Meisterschaft sein. So viel zum Grundsätzlichen. Zur tatsächlichen Qualität des Kaders mochte er sich aber nicht äußern. Für Prognosen sei es noch zu früh.
Man wird also sehen müssen wie Grundsätzliches und Tatsächliches zusammenpasst. Für Jackson ist das scheinbar sekundär. "Ich hasse es, kompliziert zu denken", hat er einmal gesagt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste