Eishockey-Meister in Abstiegsnot: Kein guter Rutsch

Die Eisbären Berlin spielen nach dem Titelgewinn nun gegen den Abstieg. Wie ist das möglich? Und was tun? Der Handlungsspielraum ist recht klein.

zwei Eisbären-Profis knien frustriert auf dem Eis

Die Eisbären-Profis Zach Boychuk (l.) und Peter Regin haben auch mit der Resignation zu kämpfen Foto: imago

Serge Aubin (47), seit 2019 Trainer der Eisbären Berlin, floskelt wie kaum ein anderer Coach in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL). Auf Englisch verkündet der Franko-Kanadier regelmäßig sportliche Allgemeinplätze wie: „Wir sind fokussiert und wissen, worum es geht.“ Oder: „Wir konzentrieren uns auf uns, nicht auf den Gegner.“

Das ging so lange gut, wie die Eisbären Erfolg mit ihm hatten, also in den zwei vorigen DEL-Spielzeiten, in denen die Berliner ihre deutschen Meisterschaften Nummer acht und neun feierten. Im Misserfolg wirken Aubins Phrasen nun aber bisweilen grotesk.

Am Freitag musste Aubin zum Beispiel darüber reden, warum die Eisbären bei den Straubing Tigers im letzten Punktspiel des Jahres 2022 mit 3:4 im Penaltyschießen verloren, nachdem sie im zweiten Drittel mit 3:1 geführt hatten. „Well“, sagte er, „das ist enttäuschend, auf diesem Roadtrip nur einen Punkt geholt zu haben.“ Doch sein Team sei in die richtige Richtung unterwegs. Wirklich? Letzteres war eine verwegene Behauptung.

Die Eisbären liegen nach 35 von 56 Hauptrundenspielen auf dem 13. Tabellenplatz, drei Positionen hinter dem letzten der Pre-Playoff-Ränge. Und nur eine vor den Abstiegsplätzen 14 und 15. Am Montag folgt ein Heimspiel gegen den überlegenen Tabellenführer München, den die Eisbären im letzten Playoff-Finale in vier Spielen bezwungen hatten. Im April, als die Eisbären noch ein Spitzenteam waren.

Glaube an den automatischen Erfolg

Was ist seitdem geschehen in Berlin, wie kam es zu dem Absturz des Meisters, der seinesgleichen in der Geschichte der DEL sucht? Wahrscheinlich bestand der größte Fehler der sportlichen Leitung, zu der neben Aubin Sportdirektor Stéphane Richer gehört, darin, zu glauben, dass die Eisbären und Erfolg im 21. Jahrhundert einfach unerschütterlich zusammengehören, dass es automatisch immer so weitergeht.

Seit 2005, dem Jahr des ersten Titelgewinns, gehörten die Berliner fast durchgehend zur Spitze der Liga. So wurden sie leichtfertig und ließen ihren Meistertorhüter von 2021 und 2022, Mathias Niederberger, nach München ziehen, wo er nahtlos an seine starken Leistungen angeknüpft hat. Die Berliner setzten ihrerseits auf das junge Duo aus Mirko Markannen (20) und Tobias Ancicka (21). Die Goalies machen ihre Sache zwar nicht schlecht, aber lange nicht so gut wie zuvor Niederberger. Wie auch? Beide sind erstmalig in ihren Laufbahnen in so verantwortungsvoller Position im Einsatz und befinden sich in einem Lernprozess.

Auch andere Abgänge haben die Eisbären nicht gleichwertig ersetzt; zum Beispiel werden die Verteidiger Ryan McKiernan und Kai Wissmann schmerzlich vermisst. In der Offensive bietet sich ein ähnliches Bild: Blaine Byron, Dominik Bokk und Frans Nielsen sind weg. Die dazugekommenen deutschen Stürmer Frank Mauer (34) und Jan Nijenhus (21) spielen meist in der vierten Reihe und wirken nicht glücklich. Zu der Transfermisere gesellte Verletzungspech. So stecken die Berliner in dem im Eishockey für alle ungewohnten, aber realen Abstiegskampf.

Die DEL hat den Abstieg 2021/22 wieder eingeführt und meint es ernst. Zum ersten Mal seit 2006 musste im Frühjahr der Tabellenletzte, es traf die Krefeld Pinguine, in die DEL2 hinunter. In diesem Jahr wird es wahrscheinlich zwei Absteiger geben: Der Letzte muss sich sicher verabschieden. Den Vorletzten erwischt es, falls eine der drei Mannschaften (Kassel, Krefeld, Dresden), welche die Kriterien für den Aufstieg erfüllen, die Meisterschaft der DEL2 gewinnt.

Die Bedrohung ist real, viele Trümpfe können die Eisbären nicht mehr ziehen, alle elf Ausländerlizenzen hat der Verein vergeben. Gute deutsche Spieler sind zu diesem Zeitpunkt der Saison nicht auf dem Markt. Es bliebe nur die Möglichkeit, den Trainer zu tauschen.

Laut Geschäftsführer Thomas Bothstede ist das aber nicht geplant. Oder noch nicht? „Dass es nicht ewig so weitergehen kann, weiß jeder von uns. Wir reden viel mit dem Trainer, mit den Spielern. Die Jungs sind völlig verunsichert“, sagte Bothstede im Dezember dem Tagesspiegel. Aubin selbst erklärte zuletzt in Straubing: „Nein, ich bin nicht um meinen Job besorgt.“ Er wirkte dabei angespannt, verständlicherweise.

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