Eishockey-Ikone Gretzky und Trump: Vom Sockel gestoßen
Eishockey-Legende Wayne Gretzky wird in Kanada wegen seiner Trump-Nähe als Verräter betrachtet. Es gibt gar eine Petition für eine Straßenumbenennung.

W er in diesen Tagen als US-Amerikaner durch die Straßen von Vancouver, Edmonton oder Toronto läuft, muss sich darauf gefasst machen, nicht eben herzlich behandelt zu werden. Die Stimmung zwischen den beiden Ländern, die über Jahrzehnte ein brüderliches Verhältnis hatten, ist, seitdem Trump im Weißen Haus sitzt, extrem angespannt.
Trumps Verhängung von Importzöllen gegen den nördlichen Nachbarn und seine offen ausgesprochenen Gelüste, das Land als 51sten US-Staat zu annektieren, haben in Kanada eine Welle des Patriotismus ausgelöst. Kanadier boykottieren US-amerikanische Produkte. Die Kaffee-Machart „Americano“ wurde in den Starbucks nördlich der Grenze in „Canadiano“ umbenannt. In Vorgärten wehen so viele kanadische Flaggen wie nie zuvor. Und wenn bei Eishockeyspielen der National Hockey League, an der sieben kanadische Mannschaften teilnehmen, die US-Hymne gespielt wird, pfeifen und johlen die Fans aus Protest.
Das war zuletzt wieder beim Vier-Nationen-Turnier zwischen den USA, Kanada, Schweden und Finnland zu hören, bei dem sich die USA und Kanada im Endspiel gegenüberstanden. Doch die Pfiffe der kanadischen Fans im TD Garden in Boston galten nicht nur Trump und seiner Politik. Viele richteten sich auch gegen einen Mann, der bis vor Kurzem in Kanada als eine Art Nationalheiliger galt.
Eishockey-Legende Wayne Gretzky, der praktisch unangefochten als der beste Eishockeyspieler aller Zeiten gilt, war als Ehrenkapitän der Kanadier nach Boston gekommen. Er saß in einem dunkelblauen, neutralen Anzug auf der kanadischen Bank während sein Gegenüber, Michael Eruzione von der legendären „Miracle on Ice“-Truppe der Spiele von 1980, sich ein Trikot in den US-Nationalfarben übergezogen hatte.
Ehrengast bei Trumps Feier
Das alleine hätte vermutlich nicht ausgereicht, um die kanadischen Anhänger zu erzürnen. Gretzky, der in den USA Wohnsitze in Arizona, Missouri, Kalifornien und Florida besitzt und mit einer Amerikanerin verheiratet ist, war als Ehrengast zu Donald Trumps Inaugurationsfeierlichkeiten eingeladen. Es war nicht das erste Mal, dass Gretzky in Mar-a-Lago gastierte. Die Nähe zu seinem Nachbarn im floridianischen Prominentenort Palm Springs ist hinlänglich bekannt.
Nun wäre Trump nicht Trump, wenn er diese Verbindung nicht zu instrumentalisieren gewusst hätte. Er könne sich Gretzky gut als Gouverneur von Kanada als dem 51sten Staat der USA vorstellen, ließ er verlauten. „Er müsste kaum Wahlkampf machen. Er würde automatisch gewählt.“
Das hätte gewiss gestimmt, bevor Trump diese Bemerkungen gemacht hatte. Der Status von Gretzky als kanadische Ikone ist kaum zu überschätzen. Selbst Vergleiche mit Beckenbauer in Deutschland zu seinen kaiserlichsten Zeiten, Pelé in Brasilien oder Usain Bolt in Jamaika reichen kaum aus.
Gretzky war der Junge aus einem Arbeiterhaushalt in der Kleinstadt Brantford, der über die 20 Jahre seiner Profilaufbahn hinweg die Nation stolz gemacht hat. Er brachte vier NHL-Titel nach Edmonton, bevor er in den Süden wechselte. Er hält bis heute die Rekorde für die meisten Saisontore, Assists und Hattricks. Gretzky ist das Gesicht der Sportart, die in Kanada die meisten begeistert. So sehr, dass neben Eishockey beinahe alle anderen Sportarten unter den Tisch fallen.
Nun gilt er, seiner Nähe zu Trump und seiner Kleiderwahl beim Vier-Nationen-Turnier wegen, in Kanada als Verräter. Es wurden Petitionen unterschrieben, um die Gretzky-Straße in Edmonton wieder umzubenennen. Man kritisiert ihn dafür, sich nicht gegen Trumps Annexionsfantasien aufgelehnt zu haben. Kanadische Sportreporter haben ihm den Titel „The Great One“, den er seit 40 Jahren trägt, aberkannt.
Gretzky selbst, der seit Langem US-Bürger ist und vielleicht gar nie derart vereinnahmt werden wollte, schweigt dazu. Seine Frau nahm ihn in Schutz und bezeichnete ihn als Patrioten. Ähnliches tat sein Weggefährte Bobby Orr in einer Kolumne im Toronto Star. Trump entließ ihn derweil via X aus dem Druck, Position zu beziehen, und erklärte ihn zum Free Agent.
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