piwik no script img

Eisenbahnerstreiks in Polen rollen...

Kohleexporte durch Streik in Stettin gefährdet / Rechtsgerichtete Konkurrenz zu Solidarnosc will Ausstand nutzen  ■  Aus Warschau Klaus Bachmann

Die Streikwelle bei den polnischen Eisenbahnen wächst an. In Stettin wird weiter gestreikt, ebenso in Bydgoszcz und Torun. Dort wurde inzwischen der Hungerstreik beendet. In Konin, wo sich die Ost-West und Nord-Süd-Verbindungslinien schneiden, wird ebenfalls gestreikt.

Am Donnerstag wurde Stettin zum ersten Mal völlig vom übrigen polnischen Eisenbahnnetz abgeschlossen. Die Kohlelieferungen von Schlesien her sind unterbrochen, Unter den Streikenden wächst Unmut. Ein Sprecher der Streikenden in Slupsk: „Wir verlangen, daß die Regierung zu Verhandlungen nach Slupsk kommt. Ein Bevollmächtigter von uns fährt nach Warschau, aber die Verhandlungen haben hier stattzufinden. Davon hängt das Schicksal des Volkes ab.“ Daß die Streikenden bisher weitgehend isoliert waren und von keiner Gewerkschaft unterstützt wurden, stört sie nicht, „denn das hat sich ja geändert“. In der Tat: Inzwischen hat sich sowohl das Exekutivkomitee der kommunistischen Gewerkschaften OPZZ mit den Streikenden solidarisiert als auch „Solidarnosc 80“, die noch nicht offiziell zugelassene Gewerkschaft des Walesa Kritikers Marian Jurczyk in Stettin.

Lech Walesa hat es bisher abgelehnt, sich mit den Eisenbahnern zu treffen. Er erklärte sich inzwischen mit den Forderungen der Streikenden, nicht aber mit dem Streik einverstanden. In Warschau kritisierte Marek Koziol, Mitglied des Streikkomitees in Slupsk, die Solidarnosc -Regierung. Hier habe einfach eine Elite die andere ersetzt. Diese Solidarnosc-Vizeminister, mit denen zur Zeit verhandelt werde, hätten ihre Herkunft völlig vergessen.

Äußerungen wie die von Koziol werden in Warschau als Argument herangezogen, daß der Streik einen politischen Hintergrund habe - umso mehr, als er unmittelbar vor den Kommunalwahlen stattfindet. Für Boguslaw Filarowicz, Mitglied der Gewerkschaftsführung von „Solidarnosc 80“, ist der Streik auch ein Protest gegen die „politische Partei Solidarnosc“, die unter den Fittichen der „laizistischen Linken“ in Warschau regiere.

Die Regierung lehnt die Forderungen der Streikenden nach wie vor ab und ist äußerstenfalls bereit, Korrekturen in der Lohnstruktur vorzunehmen. Unklarheit gibt es über den politischen Hintergrund der Fahrt von Walesa-Stellvertreter Lech Kaczynski nach Slupsk vor zwei Tagen. Kaczynski hatte dort unter Umgehung der örtlichen Solidarnosc- Strukturen mit den Streikenden gesprochen. Nach Angaben Koziols unterstützt Solidarnosc in Slupsk inzwischen die Postulate und den Streik der dortigen Eisenbahner.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen