piwik no script img

Einzelhandelskonzern wirbt für die CDUStinkefinger für Tengelmann

Mit einer ganzseitigen Anzeige im „Handelsblatt“ gibt Tengelmann seinen Mitarbeitern zu verstehen, wen sie am Sonntag wählen sollen: Merkel.

Im Zweifel für die Raute? Bild: dpa

BERLIN taz | Links – wo auch sonst? – prangt eine Zeichnung des Stinkefingers von SPD-Spitzenkandidat Peer Steinbrück. Rechts daneben platziert zwei Hände, zur Merkel-Raute zusammengelegt. Darüber das Wort „Stimmzettel“. Darunter: „Im Zweifel für die Raute. Treffen Sie Ihre Wahl!“ Diese Anzeige des milliardenschweren Einzelhandelkonzerns Tengelmann (Kaiser's Tengelmann, KiK, Obi), eine unverblümte Wahlempfehlung für die Bundeskanzlerin, ist am Freitag auf einer ganzen Seite der Wirtschaftszeitung Handelsblatt erschienen.

Damit auch seine rund 84.000 Mitarbeiter wissen, wen sie am Sonntag auf keinen Fall wählen sollen, hat Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub sich etwas Besonderes einfallen lassen: Er ordnete der Konzernpressestelle zufolge an, dass die Kantine in der Unternehmenszentrale in Mühlheim an der Ruhr am Freitag nur fleischlose Gerichte anbieten durfte – als Protest gegen die Forderung der Grünen nach einem vegetarischen Tag („Veggie Day“) in öffentlichen Kantinen. Die rund 1.100 Beschäftigten der Tengelmann-Zentrale sollen wohl am eigenen Leib erfahren, wie schlimm es sich ihrem Chef zufolge unter Rot-Grün leben würde.

„Das ist nicht akzeptabel“, sagte Erika Ritter, die den Fachbereich Handel der Gewerkschaft Verdi in Berlin-Brandenburg leitet, der taz. „Infam“ sei es, dass Tengelmann-Boss Haub jetzt sogar schon das Kantinenessen einsetze, um die Wahlentscheidung seiner Mitarbeiter zu beeinflussen. Auch wenn das rechtlich natürlich nicht zu beanstanden sei.

Vor allem eins stört Ritter an Haubs Zeitungsanzeige: „Die Kollegen bei Kaiser‘s verzichten immer noch auf große Teile des Weihnachtsgeldes, um eine Sanierung des Unternehmens zu erleichtern. Und der schmeißt das Geld für sowas zum Fenster raus.“ Für eine ganzseitige Anzeige an dieser Stelle der Zeitung kassiert das „Handelsblatt“ laut Preisliste 61.900 Euro plus Mehrwertsteuer. Weit mehr als das komplette Jahresgehalt eines einfachen Kaiser‘s-Verkäufers.

Oligarchen-Familie von der Ruhr

Hat sich das Unternehmen viel kosten lassen: ganzseitige Anzeige im „Handelsblatt“. Bild: taz

Warum Haub für die CDU kämpft, liegt auf der Hand. Seine Familie gehört zu den reichsten Deutschlands: Nach einer Schätzung des Manager Magazins sitzt sie auf einem Vermögen von ungefähr 3,5 Milliarden Euro. Jährlich treffen sich die Oligarchen von der Ruhr auf ihrer Familienfarm im US-Bundesstaat Wyoming. Die von den Grünen geplante Vermögensabgabe könnte teuer für sie werden.

Auch sonst liegt eine rot-grüne Regierung einfach nicht im Interesse der Haubs: Der Handelsverband Deutschland, der auch Tengelmann vertritt, ist gegen einen gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn. Eine verbraucherfreundliche, leicht verständliche Kennzeichnung ungesunder Lebensmittelbestandteile, wie etwa den Zuckergehalt eines Nahrungsmittels durch Ampelfarben zu kennzeichnen, scheut er wie der Teufel das Weihwasser. Und Rot-Grün könnte ja auch auf die Idee kommen, mehr dagegen zu unternehmen, dass zum Beispiel die Tengelmann-Tochter KiK Billigtextilien aus lebensgefährlichen Fabriken in Bangladesch importiert.

Einige Kaiser‘s Kunden haben unterdessen ihre eigenen Konsequenzen aus Haubs Kampagne beim täglichen Einkauf gezogen. Einer unter vielen schrieb auf Twitter: „Im Zweifel gegen Tengelmann!“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Ist nix Neues: ich erinnere mich noch gut, dass die Haubs 1998 (Kohl vs. Schröder) an sämtlichen Supermärkten der Kette Wahlempfehlungsplakate für die CDU aushängte. Und dem Mitarbeiter/innen (ich jobbte damals bei Plus) dies auch brieflich noch mal ans Herz legte, gerade im Hinblick auf die Sicherheit ihrer Arbeitsplätze, was ich schon damals als absolute Unverschämtheit empfand.

  • P
    Paul

    Mutig aber meiner Meinung nach in Ordnung. Sollte jedem selber überlassen sein, seine Interessen zu vertreten. Ist ja nun auch keine "Werbung" im eigentlichen Sinn.

  • D
    DJ_rainbow

    Zensieren die taz*innen wieder mal missliebige Meinungen? Nichts Neues unter der rotzgrünen Sonne der ignoranten Intoleranz also....

  • Haha, infame Propaganda gegen die Grünen ist es also Ihr Programm durchzusetzen :-)

     

    Nein, auch ich finde das der Tengelmann seine Kompetenzen überschreitet.

     

    Den Zusammenhang zwischen einer Zeitungswerbung im Handelsblatt und der expleziten Beeinflussung der Mitarbeiter kann ich wirklich nicht sehen. Nichts gegen Mitarbeiterinnen von Kik&Co, aber ist nicht die Kernleserschaft des Handelsblattes.

  • R
    Ruhender

    Unfaßbar. Die Belegschaft müßte sofort die Arbeit niederlegen, bis Haub persönlich alle Plakate entfernt sich bei der Belegschaft für die politische Beeinflussung entschuldigt hat. Aber ich höre schon wieder die Stimmen der Schafe, die das auch noch verteidigen: "Herr Haub macht von seinem Hausrecht gebrauch, wem´s nicht paßt, kann ja eine andere Stelle suchen" und derartig hochintelligente Scheiße.

  • MS
    malice soutzat

    Wie bei der Volksabstimmung zu S21. Da hat der Vorstand der ZF FRIEDRICHSHAFEN AG ebenfalls verlauten lassen, wie die Belegschaft abzustimmen habe.

  • F
    Freundchen

    [Kauft nicht bei Tengelmann!]