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Einzelhändler ignorieren KundenrechteBeratung auf Discount-Niveau

Testkäufe zeigen, dass die Hälfte aller Einzelhändler ihre Kunden falsch über deren Rechte informiert. Besonders schlecht schneiden die Billighändler ab.

Spitzenservice: Bei Aldi Nord wird über 90 Prozent der Testkunden der Umtausch kaputter Ware verweigert. Bild: dpa

BERLIN taz | Einzelhändler verweigern Kunden, die Ersatz für kaputte Ware wollen, systematisch ihre Rechte. In über der Hälfte von 550 für den Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) getesteten Filialen wurde den Kunden ihr gesetzliches Gewährleistungsrecht abgesprochen. Vzbv-Chef Gerd Billen forderte bei der Präsentation der Ergebnisse am Montag in Berlin den Handel auf, seine „enormen Informationsdefizite“ schleunigst zu beheben.

Besonders miserabel schneiden demnach die Discounter ab. Bei Aldi Nord wurde über 90 Prozent der Kunden ihr gesetzliches Recht verwehrt, bei Lidl über 70 Prozent. Nur knapp der Hälfte der Testpersonen wurde bei Media-Markt und Aldi Süd Gewährleistung eingeräumt, bei Obi waren es 45, bei Real 42 Prozent.

Auf Nachfrage, warum denn keine Gewährleistung gelte, schoben rund 90 Prozent der EinzelhändlerInnen die Verantwortung auf die Hersteller ab. Dort komme man schneller zu seinem Recht, war das Hauptargument der VerkäuferInnen. In einigen der sechs untersuchten Einzelhandelsketten wurden den Testpersonen lediglich Gutscheine angeboten, oft war von angeblich abgelaufenen Fristen die Rede – fast ein Zehntel gab überhaupt keine Auskunft.

Bitter ist solche Irreführung vor allem für diejenigen, deren defekte Produkte noch recht neu sind. Zwar läuft die Gewährleistungsfrist insgesamt zwei Jahre, doch nur innerhalb der ersten sechs Monate muss der Händler beweisen, dass der Fehler nicht schon beim Kauf vorhanden war – was nur selten gelingt.

Verbraucher in der Beweispflicht

Umgekehrt haben Verbraucher ab dem siebten Monat deutlich schlechtere Karten, denn ab dann sind sie in der Beweispflicht. Gibt es eine Garantie, raten Experten deshalb nach Ablauf der sechs Monate oft dazu, sich auf diese zu berufen. Die Garantie wird vor allem von Herstellern gewährt, sie ist keine gesetzliche, sondern eine freiwillige Leistung. Dementsprechend gibt es viele Ausnahmen.

Die Kosten fürs Verschicken der kaputten Ware und eventuelles Aus- und Einbauen etwa werden anders als bei der Gewährleistung nicht übernommen. Der Handelsverband (HDE) teilte mit, man habe die Stichprobe noch nicht bewerten können. Ein HDE-Sprecher gab sich optimistisch: „Dort wo Nachholbedarf ist, werden die Unternehmen ihre Mitarbeiter schulen.“ Beim Umtausch, der viel häufiger vorkomme als Reklamationen, sei die Branche bereits extrem kulant.

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8 Kommentare

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  • HS
    Holger Steinführer

    Ein Gewährleistungsanspruch besteht, wenn die Sache BEREITS ZUM ÜBERGABEZEITPUNKT einen Mangel aufwies.

    Da man davon ausgehen kann, dass überwiegend mängelfreie Ware bei einem Händler "in den Regalen" steht, stelle ich es mir für einen Testkäufer recht zeitaufwendig und schwierig vor, einen bereits mangelhaften Gegenstand zu finden, denn man dann zu Testzwecken kauft und dann zu Testzwecken wieder hinbringt. Und um representative Zahlen zu erreichen müsste man das ja dann sogar öfters tun.

    Halte ich für ehr unglaubwürdig.

     

    Zum zweiten wird gerade in den Kommentaren darauf hingewiesen, dass eventuell ungeschultes Personal des Händlers so reagiert, und somit die Händler in der Pflicht wären, diese entweder zu schulen oder geschultes Personal zu beschäftigen.

    Schulungen kosten Geld und geschultes Personal ist teurer.

    Tja, liebe Leute, dass habt Ihr davon, wenn Ihr getreu nach dem Motto "Geiz ist geil" einkaufen geht und Händler die in geschultes Personal investieren oder Ihr Personal schulen und damit die Ware teurer wird, nicht mehr besucht und kaputt gehen lasst.

    Bisschen nachdenken hilft, wenn ich alles billiger und billiger haben will, dann kann ich eben nicht mehr drauf hoffen auf geschultes Personal zu treffen, aber denken ist ja leider abgeschafft worden.

     

    Zum dritten erlebe ich auf der Seite des Personals leider häufig sehr dreistes Anspruchsdenken, wenn eindeutig vom Kunden nach dem Kauf zerstörte Ware reklamiert wird und lehne das genauso ab.

    Genauso erlebe ich aber auch als Käufer, dass mir berechtigte Reklamationen und/oder Gewährleistungsansprüche noch nie abgelehnt wurden.

     

    Ich halte den ganzen Artikel und die zugehörige "Studie" nur wieder für Propaganda den "bösen" Händlern, weil sind ja alles Halsabschneider, eins auszuwischen.

     

    Glücklicherweise habe ich nichts bezahlt für den Artikel, wie aufgefordert.

  • W
    wauz

    Affekt statt Fakten?

     

    Der Artikel startet mit einer Behauptung. Die ein Verband bzw. dessen Sprecher aufstellt. Das wird aber nicht klar, so wie es dasteht, liest sich das wie ein unabänderliches Faktum. Das ist ganz schlechter Stil. Wenn ein Journalist/Autor selbst eine solche Behauptung aufstellt, muss er sie belegen. Das kann er hier aber nicht, hat er doch die Untersuchung nicht selbst durchgeführt. Über die Belege des Verbandes wird dann nur spärlichst berichtet, man kann sich aus diesen dürren Zeilen kein Bild machen.

    Wir kennen das. Von der Bild-Zeitung.

     

    (Hat die taz eigentlich einen Chefredakteur, der auf ein bisserl journalistische Qualität achtet?)

  • A
    Abby_Thur

    Bei Aldi und Co. sind hochpreisige oder technische Artikel nur Sonderware, die es nur eine bestimmte Zeit gibt- wie soll der Händler sie dann ersetzen?

    Das ist doch total weltfremd.

    Zudem heisst es doch: wer billig kauft, kauft doppelt.

     

    Dann lieber schnell Geld zurück und das gleiche Gerät bei einem Elektromarkt kaufen.

  • B
    Basti

    "Nur knapp der Hälfte der Testpersonen wurde bei Media-Markt und Aldi Süd Gewährleistung eingeräumt, bei Obi waren es 45, bei Real 42 Prozent."

     

    Dieser Satz ist so nicht korrekt, wenn man sich den im Text nicht verlinkten Bericht anschaut: http://www.vzbv.de/cps/rde/xbcr/vzbv/Testreklamationen-Praxistext-2012.pdf

     

    Die richtigen Zahlen, wie man auf Seite 11, sowie den Seiten 31 und 33 erkennen kann, wären demnach für Obi 55% und Real 58% anerkannte Gewährleistungsansprüche.

     

     

    Ansonsten finde ich den Artikel auch etwas aufgeregt. Allein das Wort "Irreführung" im Text, das gleich mal allen Verkäufern böswilliges Handeln unterstellt. Die interessante Frage wäre hier eigentlich, wie viele der Gefragten sind gelernte Kaufleute, wie viele sind z.B. Branchenfremde Zeitarbeiter und wie viele wurden vor Ort geschult.

     

    Hier sind die Händler in der Pflicht, ihre Mitarbeiter zu unterweisen. Denen aber einfach mal Absicht zu Unterstellen ist sicher nicht die feine Englische Art.

  • RR
    Ritter Rost

    Oha, Tageslicht, ist man denn dazu verpflichtet auf seinen Rechten zu beharren, damit sich der Vertragspartner daran hält? Oder muss man sie eventuell erst noch vielleicht per Formular beantragen, oder einklagen?

     

    Dass die Mitarbeiter der getesteten Firmen zunächst einmal versuchen den aufwändigen Reklamationsprozess (nicht Umtausch!!) auf den Kunden Hersteller abzuwälzen wird ja schon oftmals vom Händler angekündigt, wenn in den Prospekten von AldiLidl usw eine "Serviceadresse" angekündigt wird. Es ist eine Frechheit der Firmen, und sicher eher Vorsatz als Betriebsunfall. Der Zustand hängt sicher auch mit den wenigen noch tatsächlich ausgebildeten Verkaufskräften zusammen, die im Handel das Bild bestimmen, und die keine Ahnung haben, wie die Rechte nach der Schuldrechtsreform aussehen. Diese Aktion der VZBV wird den Händlern hoffentlich ein Anlaß sein das eigene Personal besser zu schulen. Und sie wird den Kunden wohl klar machen, dass sie Rechte haben, damit sie sich nicht so abspeisen lassen.

  • N
    namaste

    Der Artikel deckt sich absolut nicht mit meinen Erfahrungen. OK, bei Aldi & Co. kaufe ich eh nichts. Aber im Fachhandel oder bei namhafeten Onlineshops hatte ich noch nie probleme mit Reklamationen etc. Im Gegenteil war ich schon oft über die Kulanz einiger Anbieter überrascht!

  • B
    Boiteltoifel

    Wie soll ich nach z. B. fünf Monaten bei Aldi einen defekten Fernseher umtauschen? Das Gerät steht dort doch nirgends mehr. Ebensowenig wie viele andere Artikel, die vielleicht mal zwei Wochen zur Verfügung stehen.

     

    Tausch nach wenigen Tagen oder Geld zurück ist bei Aldi gar kein Problem. Ansonsten wende ich mich selbstverständlich an den Hersteller. Der hat dann das Ersatzgerät auch eher zur Hand.

     

    Ich verstehe also nicht, was die Aufregung soll.

  • T
    tageslicht

    Pompöser Artikel, und vielleicht auch etwas dick aufgetragen:

    Wurde denn den Testkäufern auch dann noch der Umtausch verweigert, als sie nach dem Hinweis, lieber den Hersteller zu kontaktieren, auf den Umtausch im Geschäft beharrten?

    Abgesehen davon ist an der Aussage auch etwas dran. Ich wette mich bei vielen Schadensfällen auch viel lieber an den Hersteller, ansonsten tut das einfach der Fachhändler für mich und ich muss länger auf mein neues Produkt warten. Ich denke, der Artikel ist in seinen Ausführungen bloße Panikmache.