Einwegflaschen sind ein Ressourcengrab: Ökologische Abwärtsspirale
Einwegverpackungen für Getränke sind auf dem Vormarsch. Von echter Kreislaufwirtschaft kann dabei keine Rede sein: Statt Recycling gibt es Downcycling - und eine irrwitzige Ressourcenverschwendung.
Lebensmittelverpackungen aus nachwachsenden Rohstoffen wie Mais- oder Kartoffelstärke sind bereits auf dem Markt. In Biofastfood-Restaurants werden Pommes, Hamburger oder Kaffee in Schalen bzw. Bechern aus diesen Rohstoffen serviert. Meist sind sie mit einer Kunststofffolie beschichtet, die von den Herstellern aus der chemischen Industrie als vollständig biologisch abbaubar bezeichnet wird. Zusammen mit dem Biorohstoff Mais- oder Kartoffelstärke verrotten diese Verpackungen wie normaler Bioabfall. Auch Getränkeverpackungen können auf diese Weise hergestellt werden.
Das Bier muss Sigmar Gabriel geblendet haben. Oder zumindest verwirrt. "Die Verpackungsverordnung hat seit Beginn der 90er-Jahre zum Schließen von Kreisläufen, zur Vermeidung, Wiederverwendung und Verwertung von Abfällen und somit auch zur Ressourcenschonung beigetragen", hat der Bundesumweltminister dieser Tage erklärt. Dabei hat Deutschland zuletzt einen Siegeszug der Einwegverpackungen erlebt. Wurden vor zehn Jahren noch deutlich über 70 Prozent der alkoholfreien Getränke in wiederbefüllbaren Verpackungen verkauft, waren es Ende Juni 2006 noch 36 und Ende Juni 2007 nur noch 30,7 Prozent. Die letzte Mehrwegbastion bilden die Biertrinker: Sie kaufen ihr Lieblingsgesöff in neun von zehn Fällen in der Mehrwegflasche - deutlich öfter als vor der Einführung des Dosenpfands.
Beides sind Ergebnisse der Verpackungsverordnung. An diesem Donnerstag diskutiert der Bundestag nun über eine erneute Novellierung des Gesetzes. Ziel des federführenden Bundesumweltministeriums ist es vor allem, der "fortschreitenden Erosion der bewährten Sammelsysteme" - sprich: der gelben Tonne - entgegenzuwirken. Künftig müssen die Hersteller alle Verpackungen, die an private Verbraucher verkauft werden sollen, bei dualen Systemen lizenzieren, damit sie für deren Entsorgung und Verwertung verantwortlich gemacht werden können. "Die ökologische Frage, die sich an der Ablösung des Mehrwegs durch Einweg zuspitzt, fehlt jedoch komplett", sagt Maria Elander, Kreislaufwirtschaftsexpertin der Deutschen Umwelthilfe.
Die ökologische Idee
Tatsächlich hatte der damalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) die Verpackungsverordnung 1991 gerade deshalb durchgesetzt, um die Flut an sinnlosen Verpackungen drastisch zu reduzieren und den verbleibenden Rest möglichst hochwertig wiederzuverwerten oder zu entsorgen. Später wurde eine Mehrwegquote für Getränkeverpackungen hinzugefügt, bei deren Unterschreiten eine Pfandpflicht für Einwegverpackungen drohte. Diese trat 2003 prompt in Kraft und gilt inzwischen für fast alle Getränke. Andreas Troge, der Präsident des Umweltbundesamtes (UBA), sagte damals: "Ich erwarte, dass die ökologisch vorteilhaften Mehrwegverpackungen mit dem Pflichtpfand an Bedeutung gewinnen werden."
Das hat nur beim Bier funktioniert. Die Händler nahmen die beliebte Dose tatsächlich aus den Regalen, Plastikflaschen setzten sich nicht durch, weil Bier darin schnell schal wird. Das Problem bei anderen Getränken erklärt Josef Gai, Geschäftsführer beim Verband des deutschen Getränkeeinzelhandels, so: "Viele Verbraucher können Mehr- und Einweg bei Glas und PET nicht mehr unterscheiden. Sie glauben, wenn sie Pfand bezahlen und die Flasche wieder zurückbringen, haben sie Mehrweg gekauft." Umweltexperten verweisen darauf, dass neue Mischkonzepte wie PET-Cycle die Verwirrung noch vergrößern: Bei dem inzwischen in den meisten Supermärkten angebotenen System handelt es sich um einen mit Einwegflaschen gefüllten Mehrwegkasten.
So ist es kein Wunder, wenn die Zielvorgabe der Verpackungsverordnung, zu 80 Prozent "ökologisch vorteilhaften Verpackungen" zu kommen, in weite Ferne gerückt ist. Denn dazu gehören nach einer UBA-Studie neben den Mehrwegsystemen für Glas- und PET-Flaschen nur Getränkekartons sowie Schlauchbeutel aus Polyester-Werkstoffen und Standbodenbeutel. Und auch für die Kartons gilt die Bewertung nur, wenn über weite Entfernungen transportiert werden muss und die leeren Behälter zu mindestens 60 Prozent wiederverwertet werden.
Hier wollen die Experten der Umweltverbände mit einer neuen Diskussion ansetzen, und sie bemängeln, dass "sich die öffentliche Debatte nur noch um möglichst billiges Verwerten dreht", heißt es beim Naturschutzbund NABU. Und: "Wir müssen über nachhaltige Verpackungen und nachhaltiges Recycling sprechen." Die Entwicklung des Marktes zeigt in eine andere Richtung.
Rund 230.000 Tonnen Kartonverpackungen werden in Deutschland jährlich auf den Markt gebracht. Nach Angaben des Fachverbandes Kartonverpackungen für flüssige Nahrungsmittel (FKN) wurden 2006 150.700 Tonnen über die gelbe Tonne wieder eingesammelt.
"Die 60-Prozent-Quote erfüllen wir ohne Probleme", sagt FKN-Geschäftsführer Wilhelm Wallmann. DUH-Spezialistin Maria Elander meldet allerdings Bedenken an: "Beim Wiegen werden Restfüllmengen mitgezählt", erklärt sie. Im Durchschnitt müsse man davon ausgehen, dass Flüssigkeiten, mit denen sich die Kartons vollsaugten, und Getränkereste fast ein Fünftel des Gewichts ausmachten. "Eine unabhängige Überprüfung der behaupteten Verwertungsquoten würde vermutlich ergeben, dass der Getränkekarton nicht so umweltfreundlich ist wie gedacht", so Elander.
Praktiker weisen das jedoch von sich. "Es gibt nichts Saubereres wie eine deutsche Hausfrau", sagt Olaf Lang. Er gehört zur Geschäftsleitung der Papierfabrik Niederauer Mühle bei Düren, eine von zwei Aufbereitungsanlagen für Getränkekartons in Deutschland. Das Unternehmen bezieht gut die Hälfte der hier eingesammelten Getränkekartons. Die Mühle produziert daraus "weiß gedecktes Rohpapier" für Wellpappenfabriken. Dafür braucht sie vor allem viel Wasser und viel Wärme. Das Wasser kommt aus der nahen Rur. Wärme und Dampf erzeugt ein eigenes Kraftwerk, das ausgerechnet mit "heimischer Braunkohle" befeuert wird, wie Geschäftsführer Lang vorführt. Die wichtigste Aufgabe bei der Verwertung ist die Aufspaltung der Getränkeverpackung in ihre Bestandteile: Sie besteht zu 75 bis 80 Prozent aus Karton, der Rest sind Polyester und Aluminium. Das Plastik muss die Mühle woanders entsorgen lassen, das Metall verkauft sie als Spezialbrennstoff an die Zementindustrie.
Statt eines echten Kreislaufs, in dem ein Rohstoff immer wieder neu verwertet wird, ohne an Qualität zu verlieren, gibt es also eine Abwärtsspirale. Downcycling statt Recycling, sagen die Fachleute. Auch gebrauchte PET-Flaschen lassen sich nur zu einem Teil wieder zur Flaschenherstellung verwenden.
Kein echter Kreislauf
PET ist ein thermoplastischer Polyester-Werkstoff, der zu 100 Prozent aus Erdöl oder Erdgas gewonnen wird. Als Getränkeverpackung bieten PET-Flaschen zwei Vorteile: Sie sind bruchfest, und sie sind leicht. Allerdings ist PET gasdurchlässig, sodass Sauerstoff in die Flasche eindringen und durch Oxidation zu einer Geschmacksveränderung führen kann - was vor allem für Bier gilt. Außerdem lässt es zu, dass Kohlensäure nach außen diffundiert. Getränke in PET-Flaschen haben deshalb eine geringere Haltbarkeit als solche, die in Glasflaschen abgefüllt werden. Außerdem können sich Farb- und Aromasubstanzen des Getränks in den Kunststoff einlagern, was das Recyceln erschwert.
Und hier liegt ohnehin ein großer Nachteil von PET: Es ist nicht kreislauffähig. Die PET-Flaschen werden zu Flakes geschreddert und zu Regranulat verarbeitet. Nur wenige Unternehmen wie die ASK Recycling GmbH in Beselich-Obertiefenbach beherrschen das sogenannte Bottle-to-Bottle-Verfahren, mit dem sie aus ganz sortenrein gesammelten Flaschen ein Regranulat herstellen können, das wieder für den Einsatz in der Flaschenherstellung taugt. Dazu müssen sie die zerrissenen Makromoleküle im PET zeitaufwändig neu verketten. Rein theoretisch könnte ein und dieselbe Menge PET acht Umläufe als Flasche machen, haben wissenschaftliche Untersuchungen gezeigt. Allerdings bekommt der Kunststoff nach jeder Bearbeitung einen stärkeren Farbstich. Deshalb werden für neue Flaschen höchstens 30 bis 40 Prozent des Regranulats eingesetzt. 2004 blieben nur 11 Prozent der Flakes im Kreislauf, 65 Prozent wurden zu Autotextilien und Fleecestoffen verarbeitet, der Rest zu Filmen, Folien und anderen Transportverpackungen.
Kreislaufexperten fordern deshalb eine Rückbesinnung auf die älteste Getränkeverpackung. Dass die Glasflasche in den letzten Jahren an Bedeutung verloren hat, hat nach Einschätzung der Umweltverbände nicht nur mit dem hohen Gewicht zu tun, das sich bei den Transportkosten bemerkbar macht, sondern auch mit der Verengung der öffentlichen Diskussion auf die praktischeren - und für die Abfallindustrie profitableren - neuen Stoffe.
Nur noch 19,2 Prozent der alkoholfreien Getränke wurden 2006 in Glasflaschen verkauft, der überwiegende Teil davon über das Mehrwegsystem. Während PET-Flaschen durchschnittlich 18-mal wiederbefüllt werden können, schaffen Glasflaschen 50 Durchgänge. 2006 wurden über 80 Prozent der Glasverpackungen wieder eingesammelt. Und diese stehen komplett für neue Glasprodukte zur Verfügung. Obwohl Glas fast ausschließlich aus den mineralischen Rohstoffen Sand, Kalk und Soda, die so gut wie unerschöpflich vorhanden sind, besteht, werden bei der Herstellung hohe Anteile von Altglasscherben eingesetzt - bei Weißglas wären bis zu 70, bei Braunglas bis zu 80 und bei Grünglas bis zu 90 Prozent möglich. Die Nachhaltigkeit lohnt sich. Denn die Glasherstellung ist energieintensiv, weil dabei Temperaturen von bis zu 1.500 Grad erreicht werden müssen. Altglas entlastet hier: Weil die Rohstoffe schon verschmolzen sind, spart der Einsatz von 10 Prozent Scherben 3 Prozent Energie.
"Derzeit ist Glas der einzige Stoff, der tatsächlich recycelt, also wieder in den Kreislauf gebracht wird", sagt Elander. Dieser Aspekt sei zuletzt ebenso unterschätzt worden wie die Getränkequalität, denn anders als PET reagiert Glas nicht mit der Füllung. "Und weil sich Glasmehrweg wegen der hohen Transportkosten nur bei Entfernungen unter 150 Kilometern lohnt, unterstützt es regionales Wirtschaften."
Die Chance, den Fehlentwicklungen entgegenzuwirken, hat Umweltminister Gabriel in der aktuellen Novelle vertan. Hoffnung für die Zukunft gibt den Kreislaufexperten vielleicht ein Nebenaspekt. Die Novelle erwähnt auch Getränkeverpackungen aus biologisch abbaubaren Werkstoffen, etwa aus Kartoffelstärke. Diese sollen beobachtet und bis 2010 von Rücknahme- und Verwertungspflichten befreit werden. Vielleicht entwickelt sich darüber doch noch eine Diskussion über den ökologischen Sinn und Unsinn der verschiedenen Verpackungsstoffe.
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