■ Sparen: Seehofer will Arbeitslose in miese Jobs zwingen: Einstieg in eine andere Republik
Das Sparpaket ist glatt durchgegangen, die Bundesregierung bläst nun zum Durchmarsch. Der Seehofer- Plan, eine halbe Million ausländische Saisonarbeiter durch deutsche Arbeitslose zu ersetzen, wird keine schlechten Chancen haben. Auch das EU-freundliche Deutschland setzt nun auf Arbeitsnationalismus.
Viele Arbeitnehmer, die Angst vor den Arbeitslosen haben, weil sie Angst vor ihrer eigenen Arbeitslosigkeit haben, werden da gerne zustimmen. Auch nach zwei Jahrzehnten wachsender, struktureller Arbeitslosigkeit hält die große Mehrheit der Arbeitnehmer das sogenannte Abstandsgebot für richtig: Der höchste Satz der Sozialhilfe soll in gebührender Distanz zur unteren Einkommensgrenze durch regulären Arbeitslohn bleiben. Die arbeitsbesitzende Mehrheit, die sich abheben will von den Nichtbesitzern, bestätigt damit die moralisierende Wunschbehauptung der Ökonomen, anders gebe es keinen hinreichenden Arbeitsanreiz. Das stimmte zu den glücklichen Zeiten wohlfahrtsstaatlicher Vollbeschäftigung nur halb und heute nur noch zu einem Viertel. In einer modernen Arbeitsgesellschaft, die sich durch Produktion und Konsum auf hohem technischen Niveau integriert, laufen die halbwegs Tauglichen längst von sich aus der Arbeit nach. Mit denen, die als Fürsorge-Schmarotzer nun getrieben werden sollen, kann ohnehin kein Betrieb etwas anfangen. Und es wird wohl kein Restaurant nun den arbeitslosen Informatiker anstelle des bosnischen Hilfskochs einstellen.
Das Seehofer-Projekt setzt die soziale Integration der Deutschen mutwillig aufs Spiel, indem es nach englischem Vorbild eine neue Klasse schafft: working poor. Also Vollzeitbeschäftigte, die mit ihrem Lohneinkommen bis an die Armutsgrenze oder auch darunter absinken. Mit dieser Methode hat man im Thatcher-Land die Arbeitslosenquote auf stolze acht Prozent gedrückt. Aber ein Viertel der Bevölkerung lebt seitdem an oder unter der Armutsgrenze.
Der Plan würde zudem die Gewerkschaften unter Druck setzen. Die neuen Armenarbeiter werden sich den Mitgliedsbeitrag nicht leisten können. Aber ihre Rechte müßten von den Gewerkschaften gegen die feindselige Mehrheit der Altarbeitsbesitzer verteidigt werden. Damit ginge der geordnete Tarifkonflikt endgültig zum Teufel. Seehofer will offensichtlich ernstmachen mit einer anderen Republik. Claus Koch
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen