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Archiv-Artikel

Einstieg in den Ausstieg

BOMBODROM Unionspolitiker rücken vom Luft-Boden-Schießplatz bei Wittstock ab

Von UWI

BERLIN taz | Nach 15 Jahren Rechtsstreit bitten nun auch führende Unions-Verteidigungspolitiker darum, dass Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) sich vom Übungsplatz Wittstock – genannt „Bombodrom“ – verabschiede. Es müsse „zumindest ein Nachdenkensprozess in Gang gesetzt werden“, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktionen Bernd Siebert am späten Mittwochnachmittag im Bundestag. „Weder den Menschen vor Ort noch der Bundeswehr selbst ist es zuzumuten, weitere lange Jahre in Ungewissheit zu leben.“

Jung will sich zum Tiefflug- und Bombenabwurfplatz äußern, wenn er die schriftliche Begründung zum jüngsten Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg bekommen hat. Am 27. März hatte das OVG dem Ministerium untersagt, den ehemaligen sowjetischen Übungsplatz in Nordbrandenburg wieder militärisch zu nutzen. So seien etwa die Anwohner nicht ausreichend gehört worden. Eine Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht ist aber zulässig, und über deren Chancen will Jung nachdenken. „Innerhalb der nächsten 14 Tage“ erwarte man Post vom Gericht, sagt sein Sprecher.

Doch werten Verteidigungspolitiker parteiübergreifend Sieberts Einlassung als Anfang vom Ausstieg. Sieberts Worte seien „ein starker Hinweis, dass die politische Führung des Ministeriums vom Bombodrom abrückt“, sagt etwa Jörn Thiessen (SPD). Der Grüne Winfried Nachtwei beobachtet „Rutsch- und Absetzbewegungen“. Auch wenn eine klare Rechtsgrundlage für Flächenansprüche der Bundeswehr geschaffen würde, ändere dies wenig: „Selbst mit einem neuen Gesetz bekämen die mit Wittstock eine weitere Hängepartie.“

Der seit 1993 geplante 142 Quadratkilometer große Luft-Boden-Schießplatz wird von jeher von sämtlichen Politikern der Region bekämpft sowie von allen Kanzlerkandidaten der SPD, solange sie Kandidaten sind.

Bei der von der Linksfraktion initiierten Bundestagsdiskussion am Mittwoch verlangten viele Redner eine „europäische Lösung“ – sprich: Tiefflug anderswo. Thiessen meint, nun solle die EU darüber diskutieren, „wo sich leere Gegenden finden lassen – etwa in Polen“. UWI