Einstieg bei Krisen-Chrysler: Fiats billige Hochzeit

Der italienische Autokonzern Fiat bekommt das US-Vertriebsnetz quasi umsonst. Chrysler braucht umweltfreundliche Technologien.

Glänzender Einstieg? Fiat will mit seinen Kleinwagen auf den US-Markt. Bild: ap

ROM taz Bis Montag noch galt der italienische Autokonzern Fiat als einer der heißen Übernahmekandidaten in der Autobranche - doch jetzt steigt das Turiner Unternehmen mit 35 Prozent bei der angeschlagenen US-Firma Chrysler ein. Das jedenfalls sieht eine gemeinsame Absichtserklärung der beiden Unternehmen vor; bis April sollen alle Verträge unterschrieben sein.

Beide Unternehmen haben schon recht unangenehme Erfahrungen mit amerikanisch-europäischen Partnerschaften gesammelt: Chrysler mit Daimler in den Jahren 1998-2007 und Fiat mit General Motors (GM) in den Jahren 2000-2005. Die Zusammengänge endeten jeweils im unternehmerischen Fiasko. Diesmal aber sind beide Seiten überzeugt, den rundum passenden Partner gefunden zu haben. Fiat bekommt die 35 Prozent des fast bankrotten Chrysler-Konzerns, ohne auch nur einen Cent zahlen zu müssen. Die Turiner versprechen sich vom Zusammengehen das Vordringen auf den US-Markt, auf dem das italienische Unternehmen bisher bloß mit den Luxusmarken Ferrari und Maserati präsent ist - nicht aber mit den Marken Fiat, Lancia und Alfa Romeo. Auch in Italien hat man bemerkt, dass die US-Kunden in letzter Zeit zunehmend auf kleine Fahrzeuge setzen und dass zum Beispiel der Smart ausgezeichnet läuft. Deshalb soll jetzt der kleine Cinquecento in den Chrysler-Autohäusern angeboten werden.

Chrysler wiederum hofft auf italienische Technologie. Der Autokonzern aus Detroit, nach der Trennung von Daimler im Jahr 2007 zu 80 Prozent im Besitz des US-Finanzinvestors Cerberus, hat sich in der Modellpolitik mit seinen dicken Benzinfressern verfahren. Im letzten Jahr brach der Absatz auf unter 2 Millionen Fahrzeuge ein, machte die Firma Milliardenverluste. Bislang gab es eine Überbrückungshilfe von 4 Milliarden Dollar, um den drohenden Zusammenbruch abzuwenden, doch weitere Milliardenspritzen des Staates sind wohl notwendig. Um die zu bekommen, muss Chrysler nachweisen, dass es in Zukunft umweltfreundlichere Autos mit geringem Benzinverbrauch bauen kann - und ebendabei soll Fiat mit Plattformen und Motortechnologie helfen.

Fiat wiederum, nach der letzten Krise wieder in der Gewinnzone, ist der Auffassung, mit dem Pakt kaum etwas zu riskieren. Wenn weitere Regierungshilfen für Chrysler ausbleiben, wird es sowieso nicht zum Zusammenschluss kommen - und wenn sie fließen, wäre Fiat gleichsam gratis bei dem Neuanfang in Detroit dabei. Der 35-Prozent-Anteil mag heute kaum etwas wert sein; in Zukunft dagegen wäre das Paket womöglich eine lukrative Anlage. Schon jetzt erklärte Fiat, seinen Anteil im zweiten Schritt womöglich auf über 50 Prozent zu erhöhen.

Zugleich entsteht ein Tandem, das zusammen auf eine Produktion von gut 4 Millionen Fahrzeugen im Jahr 2008 kam. Es war Fiat-Boss Sergio Marchionne, der vor wenigen Wochen die Latte fürs Überleben im drohenden Vernichtungswettbewerb zwischen den globalen Autogiganten noch deutlicher höher gelegt hatte: Marchionne hatte 6 Millionen Fahrzeuge als kritische Größe genannt und davon gesprochen, dass am Ende wahrscheinlich weltweit nur "fünf bis sechs Produzenten" überlebten. Deshalb darf der Deal nur als erster Schritt in Marchionnes Strategie gelten. Fiat ist angeblich weiter sehr an einer Kooperation mit Peugeot und mit dem indischen Autokonzern Tata interessiert.

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