Einschränkungen für externe Entwickler: Twitter macht die Schotten dicht
Bisher war Twitter vor allem ein Netzknotenpunkt, der seine Nutzer mit anderen Diensten verband. Das soll sich jetzt ändern – im Interesse der Werbekunden.
Twitter ist mehr als nur ein Kurznachrichtendienst. Die Plattform fungiert derzeit als unabhängiger Mittler zwischen konkurrierenden Welten wie Google und Facebook.
Der Dienst wurde in den letzten Jahren als ultimative Mitteilungs-Plattform ausgebaut: Hier kann der Nutzer nicht nur veröffentlichen, was einem gerade in den Sinn kommt – viele andere Dienste wie zum Beispiel Foursquare oder Instagram bieten die Möglichkeit, Bilder oder Geodaten direkt an den Twitter-Account zu senden. Erweiterungen finden heraus, wer im gleichen Zug sitzt oder schicken die Tweets gleichzeitig an andere Dienste wie Facebook.
Möglich macht es die Programmierschnittstelle (API), die Twitter seit Beginn pflegt. Der Nutzer kann Fremdentwicklern Zugriff auf seine Daten geben, um damit Funktionen nachzurüsten, die Twitter selbst nicht bereitstellt. So hat sich in den letzten sechs Jahren ein ganzes Biotop an Diensten und Programmen gebildet, die auf Twitter zugreifen – von alternativen Twitter-Programmen für jede Computer- und Handyplattform bis hin zu Backup-Diensten, die es dem Nutzer ermöglichen jeden Tweet der vergangenen Jahre herunterzuladen. Bewertungsdienste wie Klout messen genau, mit wie vielen Menschen man auf Twitter verbunden ist und wie oft man zitiert wird.
Doch die Fremdentwickler müssen sich auf Einschränkungen gefasst machen. Ende letzter Woche kündigte Twitter erhebliche Einschränkungen an. So können Entwickler nur noch über einen speziellen Authentifizierungsmechanismus Zugriff bekommen – selbst öffentliche Informationen können nur noch registrierte Entwickler auslesen.
60 API-Zugriffe pro Stunde
Dazu wird die Anzahl der Datenabfragen empfindlich eingeschränkt: Von 350 API-Zugriffen pro Stunde auf nur noch 60. Für viele Entwickler ist das ein Schlag vor den Kopf. Kann ein Twitter-Client bestenfalls einmal pro Minute überprüfen, ob bestimmte Nachrichten für den Nutzer bereitstehen, geht das Gefühl der Echtzeit-Kommunikation verloren.
„Wir haben die Entwickler vor mittlerweile fast 18 Monaten darauf hingewiesen, dass sie keine Anwendungen erstellen sollen, die die Funktionen des normalen Twitter-Clients nachbilden sollen“, schreibt Twitter-Manager Michael Sippey im Unternehmensblog.
Wer den Ruf nicht gehört hat, muss ab 2013 eben draußen bleiben oder auf andere Weise eine Einigung mit dem Unternehmen erreichen. Die Motivation scheint klar: Twitter will mit Werbung Geld verdienen. Rufen die Nutzer ihre Nachrichten aber mit Fremd-Programmen ab, kann Twitter seinen Werbekunden nicht garantieren, dass ihre Botschaften tatsächlich beim Nutzer ankommen.
Anderen Diensten gibt Twitter keine Bedenkzeit. Der Micro-Blogging-Plattform Tumblr drehte Twitter schon am Mittwoch den Datenhahn ab. Bisher konnten Neu-Mitglieder bei der Anmeldung automatisch abgleichen, welche ihrer Twitter-Bekanntschaften ebenfalls auf Tumblr eingeloggt sind. Doch diesen Zugriff auf das Twitter-Adressbuch hat Twitter nun kurzerhand abgestellt. „Besonders weil wir die Plattform in der Vergangenheit nach Kräften unterstützt haben, finden wir dieses Vorgehen empörend“, erklärt ein Unternehmenssprecher gegenüber Techcrunch.
Tumblr als Konkurrent
Doch statt einer Quelle für Hunderten Millionen von Tweets sah Twitter in Tumblr wohl vor allem einen Konkurrenten, dessen Nutzern man keinen Gefallen tun will. Statt als Plattformbetreiber, der seinen Nutzern bestimmte Funktionen wie den maschinenlesbaren Adressbuchzugang bereitstellt, geriert sich Twitter nun als Marktteilnehmer, der seine eigenen Nutzer und ihre Verbindungen als Betriebskapital einsetzt.
Bereits im vergangenen Monat hat Twitter den Adressbuchzugang für die von Facebook aufgekaufte Bilderbörse Instagram gekappt. Twitter selbst will zur ultimativen Bilderbörse werden, und nicht nur Nutzer zu anderen Diensten schicken. Neue Multimedia-Funktionen ermöglichten dem Unternehmen auch einen lukrativen Deal zur Vermarktung der Olympischen Spiele in London. Eine weitere Einnahmequelle für Twitter sind Analysedienste, mit denen Unternehmen genau die Popularität ihrer Marken und Werbekampagnen verfolgen können sollen.
Taten sich datenschutzfreundlichere Twitter-Konkurrenten wie Identi.ca in der Vergangenheit schwer, gegen die übermächtige Plattform Land zu gewinnen, so könnte nun ein Exodus der Entwickler anderen Plattformen zu Gute kommen. So konnte die neue Plattform App.Net aus dem Stand 800000 Dollar einsammeln, um einen neuen Dienst zu starten, der nicht die gleichen Fehler machen will wie Twitter oder Facebook. Statt mit Werbung will sich App.Net gleich von Beginn an aus Mitgliedsbeiträgen finanzieren – spätere Überraschungen sollen damit vermieden werden.
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