Einladung an Italiens Justizminister: Mit dem Falschen über Mafia reden
Berlusconis Minister Alfano als Diskutant zum Thema organisiertes Verbrechen? An der Berliner Humboldt-Uni erregte das Protest. Alfano blieb weg, und der Unipräsident wurde ausfällig.
![](https://taz.de/picture/271215/14/AlfanoJustizminister.20110415-14.jpg)
So hatte sich Martin Heger seine Veranstaltung wohl nicht vorgestellt. Der Professor für Strafrecht an der Humboldt-Universität wollte allem Anschein nach bloß einen "interessanten Gesprächspartner" ins Haus holen, als er das Angebot der Italienischen Botschaft annahm, den Justizminister Italiens, Angelino Alfano, am Donnerstag über das Thema "Der Kampf gegen das organisierte transnationale Verbrechen und den Terrorismus. Eine italienische Perspektive" sprechen zu lassen.
Es wäre für Alfano sehr ungemütlich geworden. Im Hörsaal erwarteten ihn fast ausschließlich italienische Studenten und Bürger, die sich zum Protestieren eingefunden hatten. Alfano habe nicht die "moralische Autorität", über die Mafia zu sprechen, sagte ein Sprecher aus dem Publikum vor Beginn der Veranstaltung. Andere hielten Transparente hoch mit Aufschriften wie "Achtung Mafioso".
Alfano, Forza Italia-Mann der ersten Stunde, hat sich bisher vor allem dadurch hervorgetan, dass er für Berlusconi immer dann neue Gesetze entwarf, wenn sein Regierungschef damit der drohenden Strafverfolgung entgehen konnte. Das "Lodo Alfano" etwa sollte Immunität für die vier höchsten Staatsämter garantieren, und am Mittwoch erst wurde im italienischen Parlament ein Gesetz zur Verkürzung der Verjährungsfristen verabschiedet, das Berlusconi einige Prozesse erspart. Es gibt zudem Fotos von Alfano, die ihn zeigen, wie er auf Hochzeiten Mafia-Bosse herzlich begrüßt.
Berlusconi, der es nach eigenen Worten als seine Mission betrachtet, Italien von den Richtern zu "befreien", bedankte sich für die Gefälligkeiten Alfanos jüngst mit der Ankündigung, er wünsche sich den Minister als neuen Vorsitzenden seiner Partei Volk der Freiheit (PDL), was er kurz darauf aber wieder dementierte.
"Sie hätten so viele Leute einladen können. Warum Alfano?", wollte eine fassungslose Italienerin wissen. Jan-Hendrik Olbertz, Präsident der Universität, bat die kritischen Anwesenden derweil, den erwarteten Gast zumindest anzuhören, man sei schließlich ein Ort der kritischen Auseinandersetzungen.
Das sah Alfano dann wohl anders. Er ließ über die Botschaft mitteilen, er stecke in einem "wichtigen Telefonat" und müsse anschließend zu einem anderen Termin. Olbertz wendete den Rückzieher des Ministers spontan gegen das Publikum und machte ihm dreist den Vorwurf, verhindert zu haben, dass das Gespräch stattfinde.
Zur Diskussion kam es gleichwohl, wenn auch nur mit dem Juristen Heger. Der unglückliche Professor, der sich schon im Vorfeld des Vortrags über das rege Interesse an seinem Gast verwundert gezeigt hatte, versuchte sich in blumigen Rechtfertigungen, Alfano sei schließlich demokratisch gewählter Repräsentant einer ebenso gewählten Regierung. Man habe einen "Austausch auf der Ebene der Rechtspolitik" im Sinn gehabt, und überhaupt hätten auch schon andere Minister vor Alfano auf Einladung der Juristischen Fakultät an der Universität gesprochen.
Den Einwand, die Universität verhelfe dem Berlusconi-treuen und allem Anschein nach keinesfalls Mafia-fernen Minister zu einer Inszenierung, die ein völlig falsches Bild liefere, wollte Heger nicht gelten lassen. Womöglich sah er das Problem auch einfach nicht. Ein älterer Zuhörer aus dem Publikum merkte an, dass diese Veranstaltung doch unübersehbar ein "Geschmäckle" habe. "Ich bin mir nicht sicher, dass Sie das Geschmäckle in dieser langen Diskussion verstanden haben", so die Einschätzung des Redners.
Ob aus Unwissen oder Mangel an politischer Sensibilität: Heger hat sich mit seinem hilflosen Agieren blamiert, Olbertz hingegen hat durch seine überhebliche Haltung gegenüber den Kritikern der Veranstaltung dem Ansehen der Humboldt-Universität geschadet.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Erpressungs-Diplomatie
Wenn der Golf von Mexiko von der Landkarte verschwindet