KOMMENTAR: Eingeholt
■ Die DDR-Realität die Linke kalt erwischt
Erste freie Wahlen in der DDR und das Ergebnis lautet: Kohl hat gesiegt, Katzenjammer bei der Linken. Dabei: Überall in der Bundesrepublik hätten es gerade Linke besser wissen können. Aber während in ihrer Nachbarschaft zwei Häuserblocks weiter die Übersiedler-Notunterkünfte aus allen Nähten platzten, ließen sie sich lieber von Fernsehbildern der DDR faszinieren als von den DDR-Realitätspartikeln in ihrer Nachbarschaft. Gebannt und gerührt starrten sie auf den Mut, den Humor, die Intelligenz und die Gewaltlosigkeit, mit denen eine eine kleine Minderheit (wie bei allen Revolutionen) eine ganze Gesellschaft aus den Angeln hoben. Und: Sie verwechselten die DDR als Medienereignis mit der DDR als Alltagswelt jener Millionen, die nicht im Fernsehen auftraten. Das so gewonnene Bild, war das schönere, schön nahe an den eigenen Mythen vom aufrechten Gang. Das realistischere war es nicht.
Über die DDR-Hoffungen hätten Besuche in Turnhallen wahrscheinlich das repräsentativere Bild geliefert. Ihr Resultat hätte gelautet: HeldInnen sind selbst in historischen Zeiten in der Minderheit. Die Mehrheit besteht aus Durchschnittsmenschen wie wir.
Klaus Schloesser
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