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Einführung von TasernNiedersachsen will nicht schocken

Schleswig-Holstein stattet dieses Jahr Strei­fen­po­li­zis­t:in­nen mit Elektroschockern aus. Niedersachsen lehnt die Einführung weiterhin ab.

Kann nicht nur für vorerkrankte Menschen tödlich sein: Taser Foto: Boris Roessler/dpa

HAMBURG | taz | Daniela Behrens bleibt dabei. Die niedersächsische Innenministerin hat sich vergangene Woche erneut gegen die Einführung von Elektroschockpistolen für die Polizei ausgesprochen. Für Strei­fen­po­li­zis­t:in­nen seien Taser ihrer Ansicht nach nicht notwendig.

„Deshalb bleiben wir in Niedersachsen dabei, dass der Einsatz von Tasern dem Spezialeinsatzkommando vorbehalten bleibt“ erklärte Behrens der Osnabrücker Zeitung. Das niedersächsische Innenministerium begründet das unter anderem mit „Verwechslungsgefahr“ zwischen Tasern und Schusswaffen in „Hochstresssituationen“ sowie mit „hohem Schulungsaufwand“.

Mit seiner Haltung ist Niedersachsen Teil einer schrumpfenden Minderheit unter den Bundesländern. Seit Rheinland-Pfalz 2018 den Anfang gemacht hatte, hat Bundesland um Bundesland „Distanzelektroimpulsgeräte“ (Deig), wie die Polizei die Taser nennt, für die Streifenpolizei eingeführt. Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) ist dafür, dass bundesweit alle Po­li­zis­t:in­nen Taser einsetzen dürfen, wie er Ende vergangenen Jahres bekräftigte.

Taser können tödlich sein

Dabei sind Elektroschocker umstritten. Immer wieder sterben Menschen, nachdem sie im Rahmen von Polizeieinsätzen getasert wurden. Neun Tode hat die Fachzeitschrift „Bürgerrechte und Polizei/CILIP“ seit 2021 nach Taser-Einsätzen in Deutschland gezählt. Erst Anfang des Jahres starb ein 26-jähriger Geflüchteter in Mühlheim an der Ruhr, nachdem Po­li­zis­t:in­nen ihn mit einem Taser beschossen hatten.

Taser nutzt die Polizei in Deutschland schon seit Anfang der 2000er- Jahre. Lange waren sie allerdings Spezialeinsatzkommandos vorbehalten. Außer in Niedersachsen ist das sonst weiterhin in Hamburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen der Fall.

Taser

Taser sind Elektroschockpistolen, die aus bis zu fünf Metern Entfernung angewendet werden. Sie werden auch Distanz-Elektroimpulswaffe oder Distanz-Elektroimpulsgerät (Deig) genannt. Sie schießen Drähte mit kleinen Pfeilen an den Enden, die bis zu einem Zentimeter tief in Haut oder Kleidung eindringen und Strom leiten.

Wer einen Schuss abbekommt, ist durch einen rund fünf Sekunden dauernden schmerzhaften Krampf erst mal ausgeknockt.

Ab diesem Jahr wird auch die Streifenpolizei in Schleswig-Holstein Taser einsetzen können. Noch 2024 soll ein erstes Polizeirevier im Kieler Stadtteil Gaarden vorläufig zehn der Geräte bekommen.

Vorher waren die Taser in einigen Revieren im Land getestet worden. Während dieser elfmonatigen Testphase sei „in keiner Situation Strom auf Personen abgegeben“ worden, erklärt das Landespolizeiamt auf Nachfrage der taz. Trotzdem seien die Erfahrungen „positiv“ ausgefallen. Eine „Wirkung auf das polizeiliche Gegenüber“ sei nämlich schon dann festzustellen gewesen, wenn Be­am­t:in­nen diesen den Taser nur gezeigt hatten.

Das Argument der abschreckenden Wirkung lässt der Jurist und Polizeiwissenschaftler Thomas Feltes nicht gelten. „Es geht nicht um den Anteil der Fälle, in denen der Taser nicht zum Einsatz kam, sondern um die Fälle, wo er angewendet wurde“.

Für diese sei gerade die US-amerikanische Studienlage eindeutig: Besonders für psychisch beeinträchtigte, unter Drogeneinfluss stehende, schwangere oder vorerkrankte Menschen können Taser tödlich sein. Das belegt etwa eine umfassende Recherche der Nachrichtenagentur Reuters zu Todesfällen nach Taser-Einsätzen in den USA.

In Schleswig-Holstein ist im neuen Polizeigesetz von 2021 festgelegt, dass die Geräte „nicht gegen erkennbar unter 14-Jährige, erkennbar Schwangere oder gegen Personen mit bestimmten Vorerkrankungen“ angewendet werden dürfen.

Für den Polizeiwissenschaftler ist diese Klausel nicht nur unzureichend, er sieht die Ausweitung der Taser-Befugnisse für Strei­fen­po­li­zis­t:in­nen grundsätzlich kritisch.

Im Zweifel verantwortlich für den Tod

„Für mich wird mit diesen Regelungen der schwarze Peter an Beamtinnen und Beamte abgegeben.“ Diese müssten im Zweifel entscheiden, ob ein Taser-Schuss für eine Person, etwa durch Vorerkrankung, potenziell gefährlich oder sogar tödlich ist.

Das könnten Po­li­zis­t:in­nen in den allermeisten Fällen aber nicht beurteilen, sagt Feltes. Dennoch würden sie im Zweifel verantwortlich gemacht. Der Jurist fordert daher von der Politik eine Haftungsklausel für Taser-Einsätze in den Polizeigesetzen, in der festgeschrieben ist, „dass der Staat entsprechend haftet“.

Während die Polizei in Schleswig-Holstein also schon bald mit Tasern auf Streife geht, bleibt das in Niedersachsen Sache des SEKs. Eine Ausweitung sei auch in Zukunft „nicht geplant“, gibt das Innenministerium bekannt.

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5 Kommentare

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  • Wenn ich alleine die Straßenpolizisten, die mich persönlich z.B. bei Kontrollen in Anliegerzonen kontrolliert haben, betrachte, sehe ich alleine dabei schon eine vollkommen desaströs schlecht ausgebildeten "Polizistenmeute", die alleine schon bei vermuteten Ordnungswidrigkeiten ihre Taten falsch bezeugen, und ihre Macht alleine schon in diesen Situationen maximal missbrauchen.



    Wie diese ihre Zeugenaussage in Verfahren verfälschen, wenn wirklich jemand verletzt oder getötet wurde und es ihnen selber "an den Kragen geht" , kann ich jetzt schon hochrechnen.

    Diesen Polizisten nun auch noch Taser in die Hand zu drücken, halte ich für unverantwortlich. Besonders, wenn man die strafrechtliche Haftung quasi verunmöglicht, da man gleichzeitig die Haftung für den Einsatz auf die Institution deligiert.

    Das ist doch geschickt eingefädelt, und vermutlich der wahre Grund für diesen Vorschlag, um die Polizisten aus der Haftung zu nehmen.

  • Ich halte den Einsatz von Tasern für sehr kritisch, da dieser von den meisten schlecht ausgebildeten Streifenpolizisten als unbedenkliche Methode sehr wahrscheinlich viel eher in unkritischen Situationen und unbedachter eingesetzt wird, eher, als man die Schusswaffe einsetzt, ggf. um seine eigene Person vor einer Auseinandersetzung zu schützen, oder die Situation vermeintlich zu "deeskalieren".



    Die bestehenden Gefahren durch den Einsatz, würden daher unbedachter und nicht adäquat als "Waffeneinsatz" empfunden und angewendet.

    Auch die Forderung die Haftung für den Einsatz zu auf die Institution abzuschieben, ist ein Austricksen der bestehenden rechtlichen Ahndungsmöglichkeiten zur Haftbarmachung und ändert für den Betroffenen, der übereifrig von Polizisten beschossen wird, nichts, außer, dass seine rechtlichen Möglichkeiten massiv beschnitten werden.



    Man könnte den Staat/Institution dann nicht mehr strafrechtlich haftbar machen, da nur konkrete Personen, wie der Polizist, der gegen Vorgaben verstößt, strafrechtlich haftbar gemacht werden kann.



    Wenn die Haftung bei einer Institution liegt, kann diese nur für den Schadensersatz verklagt werden, oder bei Verstößen in der Organisationstruktur (z.B. unzureichende Anweisung, Ausbildung), die meistens ins Leere läuft, da sie nicht ausreichend konkret festgemacht und bewiesen werden kann.

    Auch wenn ein Mensch gesund ist, was ein Polizist gar nicht v.O. bei einem Einsatz konkret beurteilen kann, kann dieser alleine schon bei einem Beschuss derart umkippen, da er sich nicht mehr abfangen kann, weil die Schutzreflexe durch den Stromschlag ausgesetzt werden, sodass er schnell z.B. mit dem Kopf irgendwogegen schlagen kann, und somit einen unverhältnismäßig hohem immensen Verletzungsrisiko ausgesetzt würde.

  • Ein Taser kann tödlich sein, ein Kugel ist es garantiert.

    • @Stoffel:

      Nur dass man den Taser voreiliger anwendet als eine Schusswaffe!

      Wenn man die Anwndungshäufigkeit und den herabgesetzten Einsatzgrund mit einberechnet, möchte ich nicht wissen wie die Bilanz dann aussieht.

    • @Stoffel:

      stimmtso nicht.

      Kommt drauf an wohin man zielt (und trifft).