: Einführung ins Judentum
■ 130 Kindern will die orthodoxe Gruppe Chabad Lubawitsch auf einem Sommerlager religiöses Basiswissen vermitteln. Einwanderern aus den GUS-Staaten fehlt der Bezug zur Tradition
Das muß sie zugeben: „Die Ausflüge mag ich am liebsten“, sagt die achtjährige Hannah. Dennoch ist sie mit Feuereifer bei der Sache, wenn sie mit 20 anderen Kindern im Kreis sitzt und ein jüdisches Morgengebet singt – auf hebräisch.
Hannah ist eines von 130 jüdischen Kindern, die an den beiden einwöchigen Sommerlagern der Jüdischen Gemeinde teilnehmen. Zum ersten Mal bietet das Jugendzentrum der Gemeinde die Veranstaltung an. Eine Woche lang treffen sich die Mädchen und Jungen zwischen fünf und zwölf Jahren jeden Tag, um gemeinsam zu malen und zu basteln, ins Schwimmbad oder in den Zoo zu geheh. Insoweit unterscheidet sich das Sommerlager von keinem anderen Jugendlager in Berlin.
Wenn das jüdische Morgengebet nicht wäre. Zentraler Bestandteil des Sommerlagers ist der Unterricht in jüdischer Religion. Unterricht in den Ferien? Den elf Jahre alten Marcel konnte das nicht abschrecken. Gleich, als er von dem Programm hörte, meldete er sich an. Ohne Druck der Eltern. „Hier sind sie weniger streng als in der Schule“, erzählt er. Es mache Spaß, etwas über die Religion zu lernen.
Der Gesang dröhnt inzwischen durch den Raum. „Gott, wir danken dir“, krakeelen die Kinder – begeistert von ihrer Lautstärke. Die beiden Erzieherinnen feuern sie noch an und fungieren als Cheerleader. Das Gebet ist zu Ende. Alle müssen still sein. Tatsächlich, es funktioniert.
„Wir wollen ihnen das Judentum als interessante Welt nahebringen“, erläutert Rabbiner Jehuda Teichtal den Zweck des Sommerlagers. Teichtal leitet den Berliner Ableger des Chabad Lubawitsch, einer orthodoxen Gruppe, die sich weltweit auf die Vermittlung religiösen Wissens spezialisiert hat. Die Kinder sollten jedoch nicht zur Religion gezwungen werden, betont der Rabbiner, sondern nur ihre Religion kennenlernen.
In ihren Elternhäusern haben viele jüdische Kinder dazu keine Gelegenheit mehr. Jüdische Feiertage und der Sabbat werden nur noch in wenigen Familien eingehalten, die Tradition und das Wissen gehen verloren. In der schnellen und modernen Welt fehle oft die Zeit, den Glauben zu vermitteln, meint Rabbiner Teichtal. Vor allem Juden, die aus den GUS- Staaten eingewandert sind, fehlt häufig jeglicher Bezug zu ihrer Religion. Da bei dem Sommerlager viele Kinder solcher Einwanderer dabei sind, wird hier erst einmal Basiswissen vermittelt. Dafür hat die Organisation Chabad Lubawitsch eigens Erzieherinnen aus der Schweiz und den USA eingeflogen.
Mit dieser orthodoxen Bewegung in der liberalen Jüdischen Gemeinde hat die Leiterin des Jüdischen Kulturzentrums, Irene Runge, keine Probleme. Die Lubawitscher versuchten, „Juden ins Judentum zurückzumissionieren“, erklärt sie. Und fügt begeistert an, wie interessant und faszinierend diese Bewegung den Glauben machen könne.
Doch auch wenn die Kinder noch so sehr schreien dürfen, bei dieser Hitze erlahmt irgendwann das Interesse an hebräischen Gebeten. Froh nimmt jedes Kind die kleine Tüte Orangensaft entgegen. Hannah hat eifrig mitgemacht. Aber insgeheim freut sie sich vielleicht schon aufs Bowling am Nachmittag. Jutta Wagemann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen