EINE KLEINE LANDPARTIE : Einfach nach Hause
Ich war versehentlich nach Teltow geradelt, atmete den letzten Sonnentag einer preußischen Stadt ein, die wohl kürzlich evakuiert worden war, und blies Rauch in den Himmel. Der Wirt des Café Carnap erzählte, wie es ihn von Kreuzberg hierher verschlagen hatte. In seinem Bücherregal standen die Erzählungen Manfred Pieskes, den ein Zufall in einer Novembernacht 89 nach Teltow führte und der dann erst mal einen Pisspott vor die Füße geleert bekam. Der Nachbar, so der Wirt, komme übrigens aus Neukölln, und dann erzählte er mir von den Ausflugsmöglichkeiten in der Umgebung.
Im benachbarten Stahnsdorf stellten Damen jenseits der Lebensmitte um den Dorfanger Aquarelle aus. Ich aß Bratwurst und las die Schilder am Hoftor: Yoga. Immobilienentwicklung. Seidenmalerei. Biografieberatung. Nicht automatisch alles in Butter, wenn man hier angekommen ist, dachte ich und fuhr zurück nach Teltow. Vorbei an den neuen Eigenheimen, die sich immer weiter in die Wiesen fressen und an Schildern von Bürgerinitiativen, die dagegen sind. Schon Fontane schrieb: „In keinem Teile der Mark hat der Güterbesitz so oft gewechselt als in Teltow und Barnim. Der Einfluss der Hauptstadt ist dabei unverkennbar.“ In einem sanierten Plattenbau ein neues Flüchtlingsheim. Frauen aus der Nachbarschaft geben Malkurse. Männer aus der Nachbarschaft kleben Mohammed-Karikaturen an Laternen.
In Teltow vor dem Böfflamott begann gerade ein Fest. Eine Band aus Berlin fiedelte Irisches – mit einem Ehepaar, das hier seit den Siebzigern wohnt, kicherte ich über die zotigen Texte. Als ich gehen wollte, neigte sich der Mann rüber und sagte: „Meine Kinder, Anfang der Neunziger begannen sie hier auszugehen. Plötzlich waren da immer Nazis. Und was haben meine Kinder gemacht? Feige bezahlt haben sie und sind einfach nach Hause. Was war denn damals nur mit denen los?“ ANTONIA HERRSCHER