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Einer wird gewinnen

■ Gestern wurde spekuliert, heute werden die Löwen vergeben, morgen sind wir schlauer - die Filmfestspiele in Venedig neigen sich ihrem Ende zu

Venedig (taz) - Die letzten Tage der Filmfestspiele sind nie die ergiebigsten. Die Kandidaten für die ersten Plätze haben ihre Rennen absolviert. Spekulationen beherrschen die Gespräche. Jemand hat den Festivalchef Jean Luigi Rondi mit dem Filmbeauftragten der Kommunistischen Partei Italiens in einem Restaurant auf der Giudecca essen gesehen. Sofort heißt es, einer der kommunistischen Regisseure bekäme den Löwen. Zumal Jean Luigi Rondis politische Sympathien bei genau derselben Partei liegen. Die tägliche Kritikerumfrage der italienischen Tageszeitung Republica spuckt seit drei Tagen immer wieder dieselbe Hitliste aus: 1. Platz Rohmer, 2. Tavernier, 3. Anghelopoulos, 4. Ivory. Alain Robbe– Grillet, Chef der Jury, gibt Erklärungen ab, die in eine andere Richtung weisen. Ob er den Franzosen den dritten Löwen innerhalb der letzten Jahre geben will: „Nein, denn mir gefällt der französische Film, der den anderen nicht gefällt.“ Es ist klar, was er meint. Dem Favoriten Rohmer ist er seit Jahren nicht gewogen, seine Stimme hätte Doillons „Die Puritanerin“, eine Vater–Tochter– Geschichte mit Michel Piccoli und Sandrine Bonnaire. Robbe–Grillet nimmt auch sonst kaum ein Blatt vor den Mund. Wenn es nach ihm ginge, wären die meisten der auf dem Festival gezeigten Filme gar nicht erst aus dem Projektstadium herausgekommen. „Was habe ich nicht alles an Literatur gesehen in diesen zwölf Tagen.“ Und dann einen berühmten italienischen Schlager zitierend „Parole, parole, parole...“. Wörter, nichts als Wörter. „Ich habe niemals einen meiner Romane verfilmt, das habe ich andere machen lassen. Wie Alain Resnais mit Letztes Jahr in Marienbad (der vor 25 Jahren den Goldenen Löwen erhielt). Sicher, man kann sich in ein Buch verlieben und einen Film davon machen wollen. Aber meist handelt es sich doch um Auftragsarbeiten: Die Literatur gibt dem Produzenten ein Gefühl der Sicherheit. Proust oder Forster, das scheinen ihnen Namen, auf die sie setzen könne; in Wirklichkeit ist es doch genau umgekehrt. Ein schöner Film entsteht aus zweitklassigen oder doch wenigstens weniger bekannten Romanen: Man sehe nur den „Amerikanischen Freund“ von Wim Wenders nach Patricia Highsmith“. Soweit Robbe–Grillet. Solche Erklärungen erhöhen natürlich die Spannung. Denn Ivorys Forster–Verfilmung würde sich ja als Kompromißkandidat anbieten, wenn die Jury sich über die Franzosen nicht einigen kann. So kommt das Rondi–Gespräch mit dem KPI– Funktionär wieder zu Ehren und Mazzuccos „Romance“, eine Vater–Sohn–Geschichte von typisch mitteleuropäischer Langeweile, hat eine Chance. Morgen sind wir schlauer. Arno Widmann

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