: Eine „tödliche Falle“
Amtsgericht verhandelt Schicksal eines Handelsvertreters: Wer Wintergärten verkaufen will, ist vor Stromschlägen nicht sicher ■ Von Elke Spanner
Jung war der Hund. Jung, frech und ungestüm. Und Briefträger, das weiß doch jeder Vierbeiner, Briefträger beißt man ins Bein. Auch Ronny, Rottweiler und zwei Jahre alt, war klassisch-hundisch sozialisiert. Freudig erregt begrüßte er allmorgendlich den Postboten, indem er bellend und kläffend auf ihn zustürmte. Der allerdings war davon nicht so freudig erregt, und Ronnys Frauchen Irma U., bei der er sich beschwerte, auch nicht. Sie umzingelte den Garten mit einem Zaun. Den setzte sie unter Strom. Das wiederum freute den Handelsvertreter Richard T. gar nicht. Der nämlich wollte eigentlich einen Wintergarten verkaufen, bekam statt des lukrativen Deals einen Stromschlag, lief wütend rot an und zur Polizei. So fand Hundehalterin Irma U. sich gestern vor dem Hamburger Amtsgericht wieder. Der Prozeß wegen fahrlässiger Körperverletzung wurde eingestellt.
Irma U. wollte eigentlich nur den Hund erziehen. Den Briefträger schützen. Und ihre Büsche, also ihre Büsche ehrlich gesagt auch. Durch die wilderte Ronny nämlich auch immer, und seit er dabei einen auf die Nase bekam, läßt er das artig sein. Alles im Lot also, Friede, Freude, Eierkuchen in der schmucken Vorstadtsiedlung. Bis da dieser Handelsvertreter des Weges kam. „Pah! Der war doch nur sauer, daß er seinen Wintergarten bei uns nicht losgeworden ist!“ist der Göttergatte von Irma U., Peter, überzeugt. Allein deshalb sei er zur Polizei gelaufen. Allein deshalb habe er überhaupt nur an den Zaun gefaßt, in seiner Erregung über diese Frau, die partout keinen Wintergarten wollte. Beschimpft habe er sie auch, und zwar so arg, daß sie ihren Mann anrief, um Trost zu suchen.
Und überhaupt: Erstens sei der Zaun an dem Tag sowieso nicht eingeschaltet gewesen. Und zweitens habe Peter U. höchstselbst schon oft daran gefaßt, und mehr als ein leichtes Kribbeln sei dabei nicht zu spüren. Peter U. ist allerdings auch Autoschlosser, hat in seinem Leben bisher nicht nur am Gartenzaun Stromstöße eingesteckt und ist offenbar einiges gewöhnt.
Handelsvertreter Richard T. nicht. Der hat eine „beginnende Verkalkung“in den Gliedern und nach seiner Aussage noch heute Schmerzen in der Hand, obwohl es schon bald ein Jahr her ist, daß der Strom diese durchfloß. Außerdem hat er einen Herzfehler. Glücklicherweise sei da nichts passiert, aber was wäre, wenn doch? Zumindest für Vögel und Kinder sei der Zaun eine „tödliche Falle“. Dumm also, daß Vögel und Kinder nicht lesen können. Familie U. darf ihren Zaun nämlich behalten. Die einzige Auflage: Künftig muß ein Schild in großen Lettern vor dem Anfassen warnen.
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