■ Eine kostenlose Fernsehbeilage enttarnt, entlarvt und klärt auf: Hartlaps Highlights
Geht's Ihnen bisweilen auch so, daß Sie von den Phänomenen unserer Zeit ganz verwirrt sind? Die Kommerzialisierung des Sports, die vielen Oscars für „Titanic“, die vielen Talkshows ohne Tabus – wie konnte das alles nur passieren? Und wie kann man, was passiert ist, nur begreifen, ohne sich mühsam durch die Einzelfall-Akkumulation einer Spiegel-Story, die Schlaumeierei eines Zeit-Feuilletons und die Bequemlichkeitsschwadronie einer Titelseite der Woche zu quälen?
Lesen Sie Prisma. Die kostenlose Fernsehbeilage zahlreicher nordrhein-westfälischer Tageszeitungen bietet nicht nur Kreuzworträtsel und Krampfaderlösungen, Ratschläge zur heimischen Frühjahrsbepflanzung und Reportagen über holländische Freizeitparks. Vor allem, vor allem – nämlich Seite drei, ganz vorn – bietet Prisma die Kolumne von Chefredakteur Detlef Hartlap. Detlef Hartlap schreibt jede Woche, Jahr für Jahr gegen den beklagenswerten Umstand an, daß seine Zeitschrift unter allen Presseerzeugnissen das wohl ungünstigste Verhältnis zwischen Auflage und meinungsbildender Bedeutung hat. „Highlights“ heißt seine Kolumne, in der er 37 Zeilen lang das erhellt, was Millionen Lesern sonst ein finstres Rätsel bliebe. Warum im Fernsehen soviel Quatsch läuft? Weil, so Hartlap, „hohe Quote nicht auch Qualität bedeutet“. Warum die ARD Millionen an Christiansen zahlt? Weil „Namen einen blind machen“.
Der lichte Strahl der Aufklärung, die „Highlights“ in der Prisma, machen einen sehend. Die Oscar-Verleihung durchleuchtet Hartlap als „Orgie des schönen Scheins“. Die Olympischen Spiele decouvriert er treffend als „Konsummessen“. Und wo ein weniger scharfer Denker an Zufall glauben könnte, nämlich wenn RTL und ARD am Samstag abend Lotterie- Shows senden, da enttarnt Hartlap den Zusammenhang und konstatiert „eine steigende Flut millionenträchtiger Lotterieshows“. Und Hartlap demaskiert auch deren eigentlichen Zweck: „Wenn sonst nicht mehr viel geht, soll wenigstens gezockt werden. Das hält den Bürger bei Laune.“ Entlarvend auch sein Blick auf das Gesamtprogramm: „Seit Jahren schon zieht sich eine breiter werdende Kitsch-Spur durch Serien, Talkshows, TV-Filme, Wetteransagen und Sportberichte.“ Kitsch- Spurenelemente erkannte der Prisma-Chef auch bei Guildo Horn, dem er gleichwohl anfangs noch konzedierte, den Kitsch meisterhaft zu beherrschen – bis Hartlap ein paar Wochen später nach schärferer Analyse doch befand: „Wer sich auf Kitsch einläßt, kommt darin um. Guildo Horn ist nicht harmlos.“ Genausowenig wie es Derrick ist. Die Action-Armut dieser Krimiserie nämlich „erfüllt die Grundfunktion des Fernsehens: Es soll Ruhe herrschen im Land.“
Wie gut, daß Detlef Hartlap seine Stimme noch erhebt und all die Phänomene von Herrschaft, Warenwirtschaft und Kulturindustrie, jener Trias des Adorno- Horkheimerschen Verblendungszusammenhangs auch 50 Jahre nach der „Kritischen Theorie“ durchleuchtet; wie gut, daß einer – wenigstens – dem „unwahren Ganzen“ die Maske vom Gesicht reißt, um dahinter das „individuell Authentische“ zu erkennen, die Wirklichkeit hinter den Verschleierungen der Fernseh-Massenkultur, wie gut, daß da ein Gremliza der kostenlosen Fernsehheftbeilage ist, ein Augstein, ach was, Augendorn des unbestechlichen Beschauens, ein Hartlap eben, der das alles auch mal etwas kritisch sieht. Der anders als der Spiegel nicht nur spiegelt und nicht nur wie konkret konkret wird, sondern den schönen, doch diffusen Schein der Medienbilder zur Kenntlichkeit zergliedert, genauso wie – na, kommen Sie drauf? – genau: so wie ein Prisma. Walter Filz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen