Nachgefragt: „Eine höchst unglückliche Idee“
■ Alfons Lemper, Fachbereichssprecher Wirtschaft, zum Umzug nach Grohn
Bringfriede Kahrs will als Gründerin in die Bremer Hochschulgeschichte eingehen. Nachdem Wirtschaftssenator Hartmut Perschau mit dem Vorschlag vorgeprescht war, die Hochschule solle aus der Neustadt auf das Gelände der ehemaligen Roland-Kaserne in Grohn umziehen, hat nun Kahrs einen eigenen Vorschlag vorgelegt: In Grohn sollen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler aus der Hochschule gemeinsam mit den Ökonomen der Uni einen neuen Hochschul-Standort bilden. Drumrum könnten sich Dienstleistungsfirmen – vor allem für die mittelständische Wirtschaft – ansiedeln.
Am vergangenen Freitag hatten sich Kahrs und Perschau prinzipiell auf das Kahrs-Modell geeinigt. Wir sprachen mit einem derjenigen, die ihre Umzugskartons packen müßten. Alfons Lemper ist Hochschullehrer an der Universität Bremen und der gewählte Sprecher des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft.
taz: Haben Sie die Pläne der Senatorin überrascht, oder hat Sie die Wissenschaftsbehörde mal nach Ihrer Meinung gefragt?
Alfons Lemper: Das hat uns genauso überrascht, wie die Senatorin vom Perschau-Vorschlag überrascht worden ist – „hinterrücks“, hat sie ja gesagt. Ich habe noch vor zwei Wochen ein Gespräch mit dem Uni-Kanzler gehabt. Da ging es unter anderem um ein neues Gebäude für unseren Fachbereich auf dem Campus.
Damals ist von dieser neuen Version kein Wort gefallen. Daß nun plötzlich ein ganzer Fachbereich nach Bremen Nord verlagert werden soll – davon ist nicht die Rede gewesen.
Und wie finden Sie die Idee?
Ich kann den Gesamtzusammenhang noch nicht so richtig beurteilen. Dazu müssen wir die Gutachten abwarten. Aber spontan würde ich sagen: Einen Fachbereich aus dem Gesamtzusammenhang der Uni herauszureißen und ihn weit oben nach Bremen Nord zu verlagern halte ich zunächst einmal für höchst unglücklich. Die Argumente, die der Zuständige für die Wissenschaft, Herr Köttgen, bringt, halte ich überhaupt nicht für überzeugend. Das sind alles Ideen, die man auf dem Campus der Uni auch realisieren könnte.
Nur hätte man in Grohn doch den Zusammenhang zwischen den Wirtschaftswissenschaftlern der Uni und der Hochschule. Wäre das nicht reizvoll?
Ob das ein ausschlaggebendes Moment ist, das weiß ich nicht. Wir leiden aber als Wirtschaftswissenschaftler heute schon in gewisser Weise am Campus-Standort. Wir fühlen uns etwas am Rand der Geschehnisse. Wir würden lieber, wie das in anderen Uni-Städten auch ist, mehr im Zentrum der Stadt sein. Und jetzt würden wir noch viel weiter an den Rand gedrängt – ganz abgesehen von den Verkehrsproblemen. Grohn ist doch schon für die Bremer Randlage.
Nun hat die Senatorin ihre Idee als großen Innovationsschub verkauft. Ein neues Institut für Mittelstandsforschung – wäre das nicht auch für die Wirtschaftswissenschaftler ein Anreiz, doch in den sauren Apfel zu beißen?
Wegen eines Instituts nicht. Außerdem haben wir schon ein Institut für Mittelstandsforschung. Das soll ausgebaut werden. Ein solches Institut wäre aber keinesfalls ein Grund, einen ganzen Fachbereich aus der Uni wegzuverlagern.
Bedenken Sie: Wir haben in der Zentralbibliothek eine halbe Etage Fachliteratur für Ökonomen. Das müßte ausgelagert und aus dem Uni-Zusammenhang herausgerissen werden. Auf den ersten Blick halte ich das wie gesagt für eine höchst unglückliche Idee.
Fragen: Jochen Grabler
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