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Eine hochkarätige Besetzung

Die Staaten Ostmitteleuropas können schon vor ihrer Aufnahme in die EU am Konvent teilnehmen und entsenden Außenminister, Expräsidenten und einen vermeintlichen KGB-Spion nach Brüssel

KRAKAU taz ■ Mit Jozef Oleksy kann man über alles reden. Auf die Kritik, als ehemaliger Kommunist mit guten Beziehungen zu Moskau könne er Polen nicht im EU-Konvent vertreten, reagiert er gelassen. Ebenso wie auf den Vorwurf, dass er für ein so kompliziertes Projekt wie die Ausarbeitung einer künftigen EU-Verfassung ungeeignet sei. „Lauter Vorurteile“ seien das und: „Ich habe mich immer für Polen eingesetzt, auch in schweren Zeiten.“

Das sehen manche seiner Landsleute anders. Im Januar 1996 musste Oleksy seinen Posten als Ministerpräsident räumen, nachdem Gerüchte aufgekommen waren, er habe in den 80er-Jahren für den russischen KGB spioniert. Obwohl dafür nie Beweise vorgelegt wurden, gilt der Politiker mit dem markanten Kugelkopf als belastet – auch bei westlichen Gesprächspartnern. Für die postkommunistischen Sozialdemokraten steht dennoch fest: Ihr Mann im Konvent heißt Oleksy. Denn der ist hart im Verhandeln. Daneben wird Polen von Marta Fogler von der oppositionellen Bürgerplattform und Vizeaußenministerin Danuta Hübner, beide angesehene Juristinnen, vertreten.

Der Konvent ist das erste EU-Gremium, in dem den Beitrittskandidaten die gleichen Rechte zugestanden werden wie den Altmitgliedern. Zumindest annähernd. Sie haben nicht nur Rede- und Antrags-, sondern auch Stimmrecht, dürfen mit diesem jedoch einen Konsens der 15 EU-Staaten nicht zum Scheitern bringen. Angesichts der Bedeutung des Konvents werden Tschechien und Ungarn dort von ihren Außenministern Jan Kavan und Janos Martony vertreten. Bulgarien und Estland entsenden mit Petar Stojanov und Lennart Meri zwei lang gediente Präsidenten. Dagegen ziehen es Slowenien und Litauen vor, durch renommierte Wirtschafts- und Rechtsexperten präsent zu sein. Nur in der Slowakei und in Rumänien einigten sich die Parlamente auf Gesandte, die schon im eigenen Land einen schweren Stand haben.

So verschieden die Personen sind, so unterschiedliche Meinungen vertreten sie über eine künftige EU-Verfassung. In einigen Ländern ist die Staatsstruktur extrem zentralistisch, in anderen setzt man eher auf Föderalisierung und die Eigenständigkeit der Regionen – und das beeinflusst auch die Position zur Struktur der EU. Die Ungarn beispielsweise verärgern mit ihrer Definition der Nation all ihre Nachbarn, die Budapest vorwerfen, noch immer Ansprüche auf Grenzregionen zu stellen. Öl ins Feuer goss der ungarische Premierminister Viktor Orban in der vorigen Woche, als er erklärte, er suche für das ungarische Volk einen neuen „Lebensraum“ und werde sich in dieser Frage nicht von Brüssel bevormunden lassen.

Tschechiens Parlamentspräsident Václav Klaus wiederum präsentiert sich gern als entschiedenster EU-Kritiker Osteuropas. Den Vertrag von Maastricht und eine weitere Vergemeinschaftung von Politikbereichen lehnt er ab.

Es sind vor allem die teilweise nationalistischen Standpunkte einzelner Staaten, die in der Region jede tiefere Zusammenarbeit behindern. So konnten sich beim letzten Gipfeltreffen der Zentraleuropäischen Initiative im November die Delegierten nicht einmal auf eine Abschlusserklärung verständigen, geschweige denn auf ein Grundsatzpapier zur europäischen Einigung. Am 19. Februar will man nun das Versäumte in Budapest nachholen und eine Plattform „für weitere Verhandlungen mit der EU-Kommission für einen zügigen Beitritt zur Gemeinschaft“ entwerfen. Vorrangig geht es dabei um eine gemeinsame Verhandlungsposition zu den jüngsten Vorschägen der EU-Kommission, wonach die Neumitglieder bei den Direktsubventionen für Landwirte benachteiligt werden. Ein weiterer Grund des Treffens ist jedoch das „vertiefte Kennenlernen“ all jener, die in den nächsten Monaten den Osten Europas im Konvent vertreten werden. „Um uns im Konvent überhaupt bemerkbar zu machen“, so der Pole Oleksy, „müssen wir mit einer einzigen Stimme sprechen, und das auf lange Zeit“.

ROLAND HOFWILER

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