: „Eine angenehme Umgebung“
Am Montag hat die Medizinische Hochschule Hannover eine Palliativstation eröffnet. Das gehört leider immer noch nicht zum Standard. Verbindliche Finanzierungsregelungen gibt es erst seit 2005
THELA WERNSTEDT, 40, Palliativärztin, 2003/04 im Erlanger Ethikkomitee.
INTERVIEW PETRA SCHELLEN
taz: Warum eröffnen Sie Ihre Palliativstation erst jetzt? Gehört das nicht längst zum Standard?
Thela Wernstedt: Leider nicht. Was uns betrifft, ist die Einrichtung dieser Station seit langem geplant. Ich bin vor drei Jahren als Palliativärztin mit dem Auftrag eingestellt worden, diese Station einzurichten. Das hat eine gewisse Zeit gedauert.
Das Konzept der Station?
Wir haben sieben Betten und 1, 2 Pflegende pro Patient. Außerdem wurden zwei Arztstellen, eine halbe Sozialarbeiter- und eine halbe Sekretärinnenstelle eingerichtet.
Keine Ehrenamtlichen?
Doch: Wir werden fünf, von den Johannitern ausgebildete Helfer haben. Ob das genügt, wird sich bald zeigen.
Sie arbeiten mit Kunst und bunten Wänden. Ist das nicht recht wohlfeil: Erst wenn die Menschen sterben, bekommen sie schöne Krankenzimmer?
Dieser Vorwurf ist nicht ganz unberechtigt. Was mich betrifft, möchte ich deshalb Kunst auf der Station haben, weil Menschen in existenziellen Krisensituationen von Dingen umgeben sein sollen, die sie jeden Tag neu interpretieren können. Das erreicht man nicht durch bloße Landschaftsdrucke. Man braucht Originale, mit denen man sich täglich auseinander setzen kann.
Wie wird die Station konkret aussehen?
Im Flur gibt es ein buntes Streifenbild des Hannoverschen Künstlers Rüdiger Stanko. Die Patientenzimmer sind eher zurückhaltend gestrichen. Über jedem Bett hängt ein Aquarell von Erich Wegner – abstrakt und poetisch zugleich. Ich glaube, dass sich sehr viele Menschen damit wohl fühlen werden. Kunst soll hier keinen pädagogischen Zweck erfüllen. Sie soll vielmehr eine angenehme, unterstützende Umgebung bieten.
Apropos Unterstützung: Bekommen die Patienten so starke Medikamente, dass sie wirklich schmerzfrei werden? Oder gibt es ethische Bedenken?
Die gibt es nicht. Die Patienten bekommen die Mittel, die sie brauchen, um möglichst eine Linderung zu erreichen. Leider gelingt es uns nicht immer, einen Menschen schmerzfrei zu machen. Aber es ist schon viel gewonnen, wenn der Schmerz so stark in den Hintergrund tritt, dass der Patient wieder über andere Dinge nachdenken kann.
Muss der Patient für den Aufenthalt auf der Palliativ-Station einen Eigenbeitrag zahlen?
Nein. Die Krankenkassen tragen die Kosten. Für die Krankenhäuser können allerdings Kosten entstehen, die die Krankenkassen nicht abdecken. Hier müssen die Krankenhäuser zuschießen. Insofern werden auch wir hier darauf achten müssen, dass wir keine zu hohen Defizite erwirtschaften. Wie das funktioniert, wird die Zukunft zeigen. Aber die Tatsache, dass diese Station eingerichtet wurde, zeigt, dass die Medizinische Hochschule bereit ist, diese Kosten zu tragen.
Ist Ihre Palliativstation als Konkurrenz zu den Stationen zweier weiterer hannoverscher Kliniken gedacht?
Wir konkurrieren nicht mit den anderen Palliativstationen, sondern ergänzen sie. Berechnungen der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin zufolge sollte eine Region von einer Million Einwohnern 50 Palliativ- und Hospizbetten haben. Zusammen mit unseren sieben Betten kommt die Region Hannover mit einer Million Einwohner auf 48. So gesehen schließen wir eine Lücke. Außerdem arbeiten wir eng mit den stationären und ambulanten Palliativstationen und den Hospizen der Region zusammen. Hierfür haben wir uns zum „Stützpunkt Hannover“ zusammen geschlossen.
In keinem Bundesland stehen auch nur annähernd die nötigen 50 Palliativbetten zur Verfügung. Warum?
Weil es bis 2005 keine Finanzierung durch die Krankenkassen gab. Es hing also vom guten Willen der Krankenhäuser ab, ob sie eine Station einrichteten. Seit 2005 ist die Finanzierung für Palliativstationen geregelt, die die Erstattungssummen an die realen Kosten anzugleichen sucht. Für die ambulante Palliativmedizin ist sie seit 2007 in Arbeit.