Nachgefragt: „Eine Wunschlösung“
■ Über Obdachlose in Kleingärten
Der Obdachlosenhelferkreis der St. Stephani-Gemeinde sorgt sich um die Bewohner im Kleingartengebiet Waller Fleet. Dort will Bausenator Bernt Schulte illegales Wohnen verbieten und drohte auch Räumungen an. Etwa ein Dutzend Obdachlose hat in Walle ein neues Zuhause gefunden – für sie wäre eine Vertreibung besonders hart, klagt Marianne Streitenberg vom Helferkreis und hat dem Bausenator einen Brief geschrieben. Ihre Forderung: Das Parzellen-Wohnen im Waller Fleet muß legalisiert werden – wie nach dem Krieg. Damals hatte Wilhelm Kaisen im Waller Fleet Wohnungslose und Vertriebene untergebracht. Sie leben auch heute noch dort und laut Schulte als einzige Ausnahme legal. Wir sprachen mit Hartmut Spiesecke, Sprecher des Bausenators, über diese Forderung.
taz: Sie haben einen Brief vom Obdachlosenhelferkreis bekommen, haben Sie denn schon geantwortet?
Hartmut Spiesecke, Sprecher des Bausenators: Nein, wir haben ihn erst vor kurzem bekommen. Problem des Vorschlages ist, daß genau darin das Dilemma liegt. Aus dem Kleingartengebiet ein Wohngebiet zu machen, würde automatisch bedeuten, daß man genau das zerstört, was man gerade erhalten will – nämlich den Waller Fleet als Grünanlage.
Aber rein rechtlich kann man doch die Nutzung des Gebietes ohne Probleme ändern.
Das geht. Das liegt in der Kompetenz der Bürgerschaft. Die Ausweisung eines Wohngebietes wäre aber kastrophal. Das würde dazu führen, daß sich innerhalb von zwei Tagen die Bodenpreise verdoppeln und Spekulanten die Grundstücke weitgehend aufkaufen. Dann kriegen wir zwar ein Wohngebiet hin, aber dann steht da in fünf Jahren kein Kleingarten mehr.
So weit muß man aber doch gar nicht gehen. Für die Kaisenbewohner hat es doch auch Ausnahmen gegeben. Dafür gibt es aber keine entsprechende planungsrechtliche Regelung. Man kann in einer Grünfläche eben gesetzlich kein Wohnen legalisieren.
Die Parzellisten fürchten sogar, daß das Bauressort eigentlich ein Gewerbegebiet planen will.
Dieser Vorwurf ist völliger Quatsch, wir wollen genau das Gegenteil. Das Oberverwaltungsgericht Bremen hat uns dringend darauf hingewiesen, die Sanierung in den Kleingartengebieten zu beginnen. Wir müssen deshalb gegen illegales Wohnen vorgehen.
Und Wilhelm Kaisens Vorstoß bleibt für Sie indiskutabel?
Das wäre eine Wunschlösung. Das Oberverwaltungsgericht hat signalisiert, daß es nicht bereit ist, so eine Lösung bei gerichtlichen Auseinandersetzungen zu akzeptieren. Und so haben wir leider keine Möglichkeit, auf eine Regelung von 1947 zurückzukommen.
Das trifft aber die ehemals Obdachlosen besondes hart.
Im Einzelfall ist das hart. Genau deswegen wollen wir ja eine Erhebung durchführen, um sagen zu können: Wer ist betroffen, und was können und müssen wir sogar für die tun. Wir werden jetzt allen Betroffenen deutlich machen, daß wir für sie vertretbare Lösungen finden wollen
Fragen: Katja Ubben
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