■ Eine Militärintervention in Zaire ist überflüssig geworden: Neue Lage, veraltete Pläne
„Es gibt einfach eine Überraschung nach der anderen.“ Mit diesem Kommentar zum neuesten Fund einer Gruppe von 100.000 rückkehrwilligen Ruandern im Osten Zaires hat Michèle Quinaglie, Sprecherin des UN-Welternährungsprogramms in Nairobi, deutlich gemacht, wie überfordert die Welt mit den Ereignissen der letzten Woche im Grenzgebiet Zaire–Ruanda ist. Daß sich eine halbe Million Afrikaner im Wald nicht einfach hinsetzen und auf Hilfe warten, sondern von selber auf die Idee kommen, nach Hause zu ihren Feldern zu gehen, übersteigt offenbar die Vorstellungskraft vieler Beobachter.
Jeden Tag machen sich neue Flüchtlinge auf den rettenden Weg zurück nach Ruanda. Jeden Tag wachsen die internationalen Zweifel am Sinn der vereinbarten Militäroperation, die eigentlich diese Flüchtlinge retten sollte. Jeden Tag verschieben die Militärs der wichtigsten Entsendeländer ihr Planungstreffen weiter. Jeden Tag wird deutlicher, daß es an der zairisch-ruandischen Grenze kein humanitäres Problem gibt, dessen Lösung der Präsenz ausländischer Soldaten bedürfte. Jeden Tag, den die UNO weiter mit der Suche nach neuen Gründen für einen Truppeneinsatz verschwendet, verzögert die dringende Suche nach einer politischen Lösung für die Konflikte, die dem Knäuel von Flüchtlingsströmen und Rebellenbewegungen in Zentralafrika zugrunde liegen. Während sich Hilfsorganisationen sorgen, daß sich die Rückkehrer in Ruanda erkälten könnten, kümmert es zum Beispiel niemanden, daß sich der blutige Bürgerkrieg im südlichen Nachbarland Burundi mit dem Exodus burundischer Hutu-Rebellen aus Zaire nach Tansania verlagern und damit ausdehnen könnte.
Die Krise in Zaire bietet eine seltene Gelegenheit, Licht in die Dunkelheit der Kriege Zentralafrikas zu werfen, die von Angola über Burundi bis Sudan ethnische und ökonomische Interessen miteinander verknüpfen und sich die in Zaire herrschende Gesetzlosigkeit zunutze machen. Aber solange die Weltmächte einzig überlegen, ob sie Lebensmittel mit oder ohne Soldaten nach Afrika schicken sollen, werden diese Kriege ungestört weitergehen. Nächstes Jahr wird dann irgendwo anders ein Haufen Flüchtlinge auftauchen. Werden dann ausländische Beobachter wieder überrascht die Hände über dem Kopf zusammenschlagen? Dominic Johnson
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