berichte aus dem knast etc.: Eine Lesung aus Ofoedus „Morgengrauen“
Albtraumland Österreich
Manche Dinge müssen aufgeschrieben werden, weil es unmöglich ist, sie nachzuerzählen. Das Schreiben fällt schwer genug. Der nigerianische Schriftsteller Obiora Ofoedu hat in einem literarischen Bericht seine albtraumhaften Erfahrungen mit der österreichischen Polizei und Medienjustiz verarbeitet. Präzise und dafür erstaunlich gelassen schildert Ofoedu, der seit 1991 mit einem Künstlervisum in Wien lebt, seine Festnahme im Rahmen der groß angelegten Drogenrazzia „Operation Spring“ und die sich anschließende dreimonatige Gefängnis-Odyssee.
Das Buch liest sich als spannender Bericht aus dem Knast. Auch. Gleichzeitig haben der erste österreichische Lauschangriff sowie die Vorgehensweise der Exekutive unter dem ehemaligen Innenminister Karl Schlögl damit ihr literarisches Nachspiel gefunden: Ofoedu wurde Ende Mai letzten Jahres mit 200 weiteren Schwarzafrikanern verhaftet und von den Medien als „afrikanischer Drogenboss Charles O.“ bezeichnet.
Solange er im Gefängnis saß, konnte die österreichische Presse den Fall nach Bedarf ausschlachten. Ofoedu wurde der Öffentlichkeit als vermeintlicher „Big Boss eines internationalen Drogensyndikats“ präsentiert, während Polizei und Regierung endlich einmal als Kämpfer gegen das organisierte Verbrechen glänzten. Ofoedu vermutet, man habe ihn als einen Organisator der Demonstrationen im Zusammenhang mit dem bei seiner Abschiebung zu Tode gekommenen Schubhäftling Marcus Omofuma ausschalten wollen: „Man hat mich vor der Verhaftung einen Monat lang observiert, alle Telefonate abgehört, alle Briefe geöffnet – da musste doch klar sein, wer ich bin.“
Ende August dieses Jahres wurde Ofoedu aufgrund der äußerst dürftigen Beweislage aus der Untersuchungshaft entlassen. Der Verdacht des Drogendeals hatte sich nicht erhärtet. Dafür hatte Ofoedu seinen ersten Roman geschrieben: „Aus dem Gefängnis zu kommen und nichts zu haben ist beinahe das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann. In gewisser Weise ist das sogar schlimmer, als im Gefängnis zu sein. Meine Ankläger hatten gewonnen.“
Heute ist bewiesen, dass Ofoedu, der ein bescheidenes Studentenleben führte und innerhalb der afrikanischen Community für seine Hilfsaktionen geschätzt wurde, kein Drogenboss ist. Nicht einmal ein größerer Fisch. Schuldig gesprochen wurde Ofoedu vor wenigen Wochen lediglich wegen Geldwäscherei. Mit zehn Monaten auf Bewährung liegt das Urteil zwar am untersten Limit, dennoch wird man Ofoedus Aufenthaltsgenehmigung voraussichtlich nicht verlängern, sollte das Urteil rechtskräftig werden.
So lange darf Ofoedu Österreich nicht verlassen. Anstelle des Autors wird der Verleger des Wiener Verlags Mandelbaum, Michael Baiculescu, heute Abend im Restaurant Austria aus dem Buch „Morgengrauen“ lesen. PAMELA JAHN
20 Uhr, Bergmannstr. 30, Kreuzberg
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