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Eine Goldader auf der A 24

■ Schlechte Zeiten sind manchmal gute Zeiten für eine gute Geschichte: Wie sich RTL und die „Bild“-Zeitung um die Verwertung eines Autounfalles zweier Soapstars stritten

„Sie sind die Helden unserer Kinder“, begann die Bild-Zeitung vorgestern früh das Drama. Und wenn solch fiktive „RTL-Helden“ (Bild) in echt Autounfälle haben, dann kann trotzdem eine Geschichte draus werden. Dann nämlich, wenn ein freischaffender Fotograf oder Videofilmer zufällig zur Stelle ist.

Die Geschichte begann, als die Fotos vom Crash im blauen Opel -Kadett Cabrio und das von einem solchen Filmer aufgenommene Video von den Rettungsmaßnahmen an den unglücklichen „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“-Stars Simone Hanselmann und Rainer Meifert auf der RTL-Homepage auftauchte, nachdem RTL schon seine Mittagsnachrichten mit dem Ereignis aufgemacht hatte. „Ganze Story mit Realvideo“ nannte sich fortan der Link für Sensations-Internetsurfer.

Doch über die multimediale Crashverwertung gab es Ärger mit der Bild-Zeitung. Deren Chefredakteur schickte eine Meldung an alle Redaktionen, in der sie darauf hinwies, daß der Unfall ihr gehört – jedenfalls die Bilder davon: Die „alleinigen Nutzungs- und Verwertungsrechte“ habe man und werde bei unzulässiger Veröffentlichung „mit den gebotenen rechtlichen Mitteln vorgehen“. Außer, es werde gezahlt. Und zwar „nicht wenig“, wie man in der Berliner Bild-Fotoredaktion weiß.

„Wir haben die Rechte für eine Veröffentlichung in der Nachrichtensendung ,Punkt 12‘ gekauft“, gibt Georg Vetten, Pressemann bei RTL zu, „darüber hinaus durften wie die Bilder nicht weiter verwerten.“ Nach dem Ärger mit dem Springer-Blatt nahm der Sender das „Realvideo“ wieder von der Homepage, und Bild-Chef Udo Röbel und RTL-Mann Christian Rodnitzki „trennten sich nach einigen Gesprächen in Frieden“. Die Dinge hätten „sich halt etwas überschlagen“.

Die Bild-Zeitung ist schon gar nicht mehr sauer und bastelte sich aus dem Unfall ein schönes Folgethema für die gestrige Ausgabe: Sie stellt einen „Rutengänger“ an die Unfallstelle, der die „ungeheure Erdenergie“ für den Crash verantwortlich macht. Bei empfindsamen Menschen könnten die Erdstrahlen sogar „einen regelrechten Blackout“ verursachen, beteuert Rutengänger Johann Liess.

Auf diese Erklärung der Bild-Zeitung weist wiederum RTL auf seiner aktualisierten Homepage hin. Doch die „GZSZ“-Fans glauben in ihren Genesungswünschen, die sie per E-Mail an die beiden Jungschauspieler schicken, eher an „nicht angeschnallt, 180 Sachen, Lappen noch nicht so lange“, und man „vermißt die beiden voll“. Einer schreibt: „Das mit dem Tauerntunnel ist zwar auch sehr schlimm, aber ich wünsche Euch trotzdem alles Gute.“

So steht doch alles zum Besten. Die Bild-Zeitung kann mit dem nicht lebensgefährlichen Unfall endlich das bei den Lesern langsam immer unbeliebtere Kosovo-Thema auf die zweite Seite verweisen. Wer will schon echte Flüchtlingsdramen auf dem Balkan, wenn in hier Erdenergie strahlt und sich das fiktive Drama der RTL-Soap auf der realen Autobahn 24 weitererzählen läßt. Vielleicht hat der Verkauf der Notarztwagenfotos auch die Kasse etwas gefüllt. Und RTL gehört „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ doch ohnehin. Der Sender hat plötzlich zwei bekannte Seriengesichter, die es sogar bis in die seriösen ZDF-Nachrichten geschafft haben. Der sensationslastige Unfall macht die Fusion zwischen echter Serie und serienmäßiger Realität einfach. Nur die beiden SchauspielerInnen hätten vielleicht gern durch anderes geglänzt. Jenni Zylka

„Die Dinge haben sich halt etwas überschlagen“, sagt entschuldigend der Presse- mann bei RTL in Köln

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