■ Eine Frage des Gefühls: Rutengänger als Wunderheiler
Wer sich auf dem Weg zu Erich John verfährt, steht vor keinem großen Problem – den graubärtigen Mann mit der Goldrandbrille und den Weg zu ihm kennt in Soltau-Dittmern jeder. Erich John ist Wünschelrutengänger und hat hier schon so manchem geholfen. Vor einem Jahr brauchte beispielsweise der Campingplatz einen zweiten Trinkwasserbrunnen. Die Besitzerin überschlägt sich noch heute vor Lob: „Erich John ging nur ein paar Mal auf und ab und murmelte: Wasser, wo fließt Du?“ Da habe seine L-förmige Metallrute schon ausgeschlagen. John selbst stellt sein Licht auch nicht unter den Scheffel: „In 95 Prozent der Fälle finde ich Wasser. Und zwar viel schneller, sicherer und billiger als eine Firma, die mit geowissenschaftlichen Methoden arbeitet“, sagt der 65jährige.
Mit der Rutengängerei fing der gelernte Maschinenbauer erst 1989 an. Damals hatten Ärzte seiner Frau gesagt, sie werde wegen ihrer Bandscheiben bald im Rollstuhl sitzen. Ein Heilpraktiker empfahl den Johns als letzten Ausweg einen Rutengänger. Der riet, die Couch umzustellen – weg von einer Wasserader. „Das half meiner Frau so gut, daß ich herausfinden wollte, was dahintersteckt“, erzählt John. Inzwischen ist er Landesgruppenleiter des Forschungskreises für Geobiologie und hat selbst schon Dutzende von Rutengängern ausgebildet. „Die Fähigkeit zum Wassersuchen hat fast jeder“, sagt John.
Erich John macht höchstens zwei Termine am Tag, denn die Rutengängerei ist auch nach wissenschaftlicher Meinung anstrengend. In den meisten Fällen sucht John nicht Brunnen, sondern forscht nach Wasseradern im Schlafzimmer. So habe er einem siebenjährigen Jungen helfen können, der noch ins Bett näßte. Und einer 39jährigen Frau habe er eine Brustamputation erspart.
Hans-Dieter Betz wird bei solchen Erfolgsmeldungen unbehaglich. Der Physik-Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München hat jahrelang Studien mit Rutengängern gemacht. Er warnt vor solchen, die sich auf medizinisches Gebiet wagen: „Wir haben zur Schlafplatzbestimmung Versuche gemacht. Das Ergebnis war, daß fünf verschiedene Rutengänger fünf verschiedene Ratschläge gaben“, sagt Betz.
Daß an der Rutengängerei als solcher etwas dran ist, daran hegt der Professor indes nicht den geringsten Zweifel: „Es hat tatsächlich fast jeder ein Gefühl dafür, wo sich im Boden Wasser befindet. Einige wenige sind auf diesem Gebiet wahre Künstler. Sie können nicht nur sagen, wie tief das Wasser vorkommt, sondern auch noch, welchen Mineralgehalt es hat und wie ergiebig die Quelle ist.“ Er berichtet von einem deutschen Ingenieur, der allein mit seinen mentalen Fähigkeiten in Wüstenregionen Wasser aufspürte, wo zuvor jahrzehntelang vergeblich gesucht worden war. „Bei einer Studie in Sri Lanka hatte er eine Erfolgsquote von über 90 Prozent. Die gleichzeitig suchenden Forschungsteams kamen mit Ach und Krach auf 30 Prozent“, erzählt Betz. Der Wissenschaftler kann zu seinem Leidwesen bis heute nicht sagen, warum das so ist. Erich John hingegen nimmt es gelassen: „Es gibt eben Dinge zwischen Himmel und Erde, die kann man nicht erklären.“ Kerstin Geisel (dpa)
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