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Eine Dinosaurier als Pizzabelag

■ Angela Molina über die Dreharbeiten von Sin Querer – Zeit der Flamingos in Patagonien

„Ich wollte eine Geschichte über ein Dorf erzählen, die das Gefühl ausdrückt, wie es ist, in Patagonien zu leben“, sagt der argentinische Regisseur Ciro Cappellari über Sin Querer. Weit mehr ist daraus geworden, denn das Filmdorf San Lorenzo – Gabriel Garica Márquez' Macondo läßt grüßen – gehört zu den Dörfern, die größer sind als Städte. Die Ankunft eines Ingenieurs (Daniel Kuzniecka), der den Bau einer Straße vorbereiten soll, wirbelt die Ordnung durcheinander und läßt soziale Strukturen sichtbar werden. Die spanische Aktrice Angela Molina, einst von Luis Bunuel auf die Leinwand geholt, spielt die Dorfbewohnerin Gloria.

taz:Was macht „Sin Querer“aus?

Angela Molina: Es ist eine einfache Geschichte mit einer großer Vision. Mich beeindruckt diese Welt, die von all den Personen und Schicksalen erzählt. Rassismus, Korruption, Liebe – es gibt so viel im Mikrokosmos dieses Dorfes. Ich mag den poetischen Sinn von Ciro Cappellari. Der Film behandelt wirklich wichtige Dinge, aber er tut dies auf eine sehr weiche Art.

Wird das deutsche Publikum den argentinischen Mikrokosmos verstehen? Einiges, etwa der geduldete Mißbrauch einer Minderjährigen, ist schwer nachzuvollziehen. Genau dafür ist das Kino da: Es erzählt von Wirklichkeiten und Wahrnehmungen an verschiedenen Orten. Das Kino kann dir helfen, die Welt kennenzulernen, und es berührt dich, auch wenn du gewisse Referenzpunkte nicht hast.

Wie würden Sie ihre Rolle charakterisieren?

Gloria ist eine Frau, die sehr viel gelitten hat und weiß, daß es das Glück nur für Momente gibt. Sie ist ein Verlierertyp. Sie hatte den Traum, das Dorf zu verlassen. Aber sie verliert diese träumerische Seite. Mir gefällt der Satz, der dem Film den Titel (Sin Querer: Ohne Liebe) gibt. Gloria sagt: „Man kann leben, ohne zu lieben.“Ich denke, sie weiß, daß man das eben nicht kann. Vielleicht ist ihre Liebe zu den Personen, die sie umgeben, einfach sehr subtil.

Haben die Dreharbeiten in Patagonien Spaß gemacht?

Ich fand es toll, daß jeder Tag in diesem Dorf ein Happening war. Niemand hatte vor uns dort gedreht. Aber alle kannten Ciro Cappellari, weil er dort aufgewachsen war, und sie wußten, daß er ihr Leben verfilmen wollte. Ich dachte, sie würden sich vor uns verschließen, aber davon war nichts zu spüren. Die Leute waren wunderbar. Sie gaben uns ein Gefühl von Glück. Meine Kollegin Luisa Calcumil, die dabei war, ist eine engagierte Liedermacherin, die viel über die Indios und ihre Belange singt. Abends gab sie Gratiskonzerte, zu denen alle gekommen sind. Es war wie in einem großen Haus, in dem sich jeder heimisch fühlte.

Haben Sie viel Asado (argentinisches Fleischgericht) gegessen?

Ab und zu. Aber vor allem haben wir dieses Ding gegessen, das man in der Wüste fangen mußte. Es war enorm groß und sah wie ein Dinosaurier aus. Sehr seltsam. Sie machten Pizza daraus. Wirklich, ein fürchterliches Tier...

Bei ihrem neuen Film hat Pedro Almodovar Regie geführt. Wovon handelt er?

Ui, zum Erzählen ist er zu kompliziert. Es ist das bislang vollkommenste Drehbuch von Pedro, eine schwindelerregende Geschichte, die sich in Madrid abspielt und im absoluten Desaster endet. Sehr grausam, aber sehr lustig. Das ist ein Almodovar, der dich überraschen wird.

Wie ist Ihre Rolle?

Meine Figur heißt... (zögert). Ich habe es vergessen, weil ich schon wieder einen anderen Film gedreht habe. Was ich weiß, ist, daß ich zum Schluß sterbe. Mein Ehemann bringt mich um. Klingt gut, nicht?

Fragen: Marcelo Millot

Abaton, Zeise

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