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Eine Demonstration des guten Willens

■ Der Besuch der beiden deutschen Parlamentspräsidentinnen in Israel ging gestern zu Ende / Die diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und DDR sollen noch vor der Vereinigung Deutschlands aufgenommen werden

Tel Aviv/Jerusalem (taz/dpa) - Am kommenden Sonntag beginnen in Kopenhagen die letzten Gespräche über das Abkommen zwischen Israel und der DDR zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Von der DDR wird erwartet, daß sie sich verpflichtet, die Verhandlungen mit Israel über die Wiedergutmachungszahlungen an die israelische Regierung schon in allernächster Zeit zu führen, damit ein Abkommen darüber noch vor der Vereinigung Deutschlands unterzeichnet werden kann. Das geeinte Deutschland würde dann die Begleichung der DDR-Schuld an Israel „übernehmen“.

In bezug auf die diplomatischen Vertretungen in Ost-Berlin und Tel Aviv soll wegen der nahe bevorstehenden Vereinigung Israels Bonner Botschafter auch in Ost-Berlin akkreditiert werden, während der diplomatische Vertreter der DDR sein Büro im Gebäude der BRD-Botschaft in Tel Aviv haben wird.

Der 48stündige Besuch der beiden deutschen Parlamentspräsidentinnen in Israel ging am Mittwoch ohne laute Proteste zu Ende. Demonstrationen, wie sie der jüdische Staat bei deutsch-israelischen Großereignissen in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder gesehen hat, wurden nicht gemeldet. Auch das lange leidenschaftlich diskutierte Thema „Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten“, brachte die Israelis - sehr zur Erleichterung Bonner Diplomaten - nicht mehr auf die Barrikaden. Selbst die israelische Presse verbannte das vielerorts als historisch bezeichnete Ereignis in den ersten Tagen meist auf die Nebenseiten.

Beide Regierungen maßen dem Besuch von Rita Süssmuth und Sabine Bergmann-Pohl größte Wichtigkeit bei. „Dieser Besuch war mindestens ebenso bedeutend wie der von Präsident Richard von Weizsäcker“, meinte ein Experte des Jerusalemer Außenministeriums am Mittwoch. Die Visite, von Frau Süssmuth angeregt und von der israelischen Regierung sofort voll unterstützt, wurde so nach Meinung israelischer Beobachter zu einer Demonstration des guten Willens.

An politischen Absichtserklärungen und Versicherungen fehlte es nicht. Dabei kamen die beiden „politischen Zwillinge“, wie die Präsidentinnen in der israelischen Presse schon genannt wurden, mit unterschiedlichen Konzepten nach Jerusalem, was in allen Reden immer wieder ihren Ausdruck fand. Für den Gast aus der DDR wurde der Besuch zu einer Reise in die unbewältigte Vergangenheit. Die Bitte um „Verzeihung und Versöhnung“ für die anti-israelische Politik Ost-Berlins vor der Wende wurde ebenso zum Leitthema ihrer Reden, wie ihr Wunsch nach baldiger Aufnahme diplomatischer Beziehungen.

Die „Zweifel und Ängste“, die bei Sabine Bergmann-Pohl immer wieder anklangen, waren bei ihrer Bonner Kollegin nicht zu spüren. Rita Süssmuth warb mit Überzeugung um Vertrauen, erklärte, warum die schnelle Vereinigung der beiden Deutschlands unausweichlich sei, schilderte die Konzepte für eine Neuordnung in Europa und in den Beziehungen zwischen West und Ost, und sprach von der „Hoffnung Europas“, von der am Ende auch etwas für den Nahen Osten herauskommen könnte. „Das zentrale Ziel“, erklärte Rita Süssmuth nach Abschluß des Besuchs, „war ein gemeinsamer Neuanfang.“

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