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■ QUERBILDEine Couch in N.Y.

Die Grundidee von Chantal Akermans Eine Couch in New York ist so simpel wie anregend. Zwei Lebenswelten, Daseinsformen, werden hier nebeneinandergestellt, und der Motor ist der einfachste in modernen Zeiten: Da wollen zwei Leute Urlaub machen in einer fremden Stadt und tauschen per Annonce die Wohnung. Nun ist die Wohnung – und das ist das starke Moment in Akermans Geschichte – das Intimste, das man sich vorstellen kann, der direkte Seelenspiegel, und so verräterisch wie kaum ein gesprochenes Wort. In der Abwesenheit wird der Wohnungsinhaber zur Chimäre, zur ständigen Auseinandersetzung.

Der Psychoanalytiker Henry Harriston (William Hurt) sucht nicht nur eine Bleibe in Paris, sondern auch einen Ausweg aus seinem so toten wie organisierten Dasein. Der Striktling hat nicht einmal seiner gruseligen Verlobten von seiner Eskapade an die Seine erzählt. Die schneit in seiner Abwesenheit in seine Wohnung und trifft auf die Tänzerin Béatrice (Juliette Binoche), die Tauschpartnerin und das chaotische Gegenteil von Henry.

Früher hieß es Der Prinz und die Tänzerin, doch heute sind Psychoanalytiker interessanter und wichtiger als Prinzen, also ist der Ersatz gut gewählt – und bleibt in seiner Plakativheit trotzdem ein Symbol für das, was an diesem Film enttäuscht: Chantal Akerman, die einzige unter den wenigen Filmemacherinnen Frankreichs, deren Themen immer eine Relevanz hatten, die gelungene Mischung aus Leichtigkeit und Tiefgang, die Autorin von solchen Leckerbissen wie Jeanne Dielman oder Geschichten aus Amerika, spielt mit jedem Detail ihres Filmes mit den Vorgaben, den Klischees, den Verabredungen der international gängigen Komödie. Die Komödie habe sie, so sagt sie, immer gereizt. Hier nun badet sie im Genre, nutzt es, schlachtet es aus: das Erwartete, das Gefällige tritt immer ein, jede Vereinfachung ist genommen, jede Abkürzung eingeschlagen. Die junge Frau ist mit Juliette Binoche so lebenslustig, unkompliziert, unbewußt und naiv wie junge Frauen in Komödien eben sind. Auch der wunderbare William Hurt spielt einen Prototypen, dessen Facetten er allerdings in schönster, elegantester Zurückhaltung auslotet.

In ihrer Komödie hat Chantal Akerman alle hereingelegt. Sie hat alle Stereotypen aufgebracht, die von den Produzenten einer großen, internationalen Co-Produktion mit Staraufwand heute und immer gefordert werden, sie hat im Mul-tiple-Choice des Filmemachens alle Kästchen für flächendeckende Auswertung angekreuzt – und herausgekommen ist eine in-vitro-Geburt. Im Buch zum Film wird die stille Ironie ihres Herangehens übrigens deutlicher als im Film selbst. (Siehe auch das Interview auf S. 23) Thomas PlaichingerSiehe Filmübersicht!

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