: Einblick (2)
Julian RosefeldtKünstler
taz: Seit wann und warum leben Sie in Berlin?
Julien Rosefeldt: Seit 1999. Hat sich so ergeben. Berlin regt mich an und lässt mich gleichzeitig in Ruhe, Berlin ist wunderbar provinziell und großstädtisch zugleich, Berlin ist pleite und schön billig, in Berlin gibt es jede Menge Platz, Berlin hat großartige Bühnen, Berlin ist eine tolle Erfindung.
Wie wichtig ist der Standort Berlin für Ihre Arbeit?
Ich begreife Berlin in erster Linie als Zuhause, nicht unbedingt als Inspirationsquelle für meine Arbeit. Die hiesige Kunstszene ist ein schöner, bunter, dick aufgeblasener Luftballon. Es hat sich auf dem Globus rumgesprochen, dass es sich hier gut leben lässt, und jetzt sind wir alle hier und machen Kunst, die wir dann meist andernorts ausstellen. Nein, mal ehrlich, was bitte machen 10.000 Künstler in einer Stadt?
Woran arbeiten Sie gerade?
Am Abendessen, ich habe gerade einen Hummer mit der Kneifzange zerlegt.
Was wundert Sie in der Berliner Kunstlandschaft am meisten?
Dass die hiesigen Kulturpolitiker die Berliner Ausstellungshäuser und Theater verwalten wie Unternehmensberater, die Qualität mit Rentabilität verwechseln. Am liebsten würden diese Halbwissenden die Kunstwerke und die Schaubühne mit Sonnenkollektoren ausstatten, damit diese noch effizienter arbeiten. Oder gleich beide Häuser hinter die Neoschlossfassade packen. Warum kapieren die nicht, dass sie Berlins Grab schaufeln, wenn sie nicht – um es mit ihren Managerworten zu sagen – in die einzige wirklich florierende Industriebranche mit Weltruhm, Berlins Kultur, investieren?