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Ein weißes Homeland für die Buren?

Südafrikanische Regierung und ANC signalisieren Bereitschaft, über selbstbestimmte weiße Verwaltungseinheit zu verhandeln/ Damit verschärft sich der Streit innerhalb der Ultrarechten  ■ Aus Kapstadt Hans Brandt

In Koproduktion haben Staatspräsident Frederik de Klerk und der Afrikanische Nationalkongreß (ANC) einen Spaltpilz für Südafrikas Ultrarechte freigesetzt: Sowohl die südafrikanische Regierung als auch der ANC haben in den letzten Tagen ihre Bereitschaft angedeutet, über die Möglichkeit der Selbstbestimmung für eine getrennte weiße Verwaltungseinheit in Südafrika zu verhandeln. Das hat den seit langem schwelenden Streit in ultrarechten weißen Kreisen über die Beteiligung an Mehrparteiengesprächen über die Zukunft Südafrikas erheblich verschärft.

Eine starke Fraktion in der ultrarechten Konservativen Partei (CP) will sich an dem im Dezember begonnenen „Konvent für ein demokratisches Südafrika“ (Codesa) beteiligen. Da die CP-Führung das nach wie vor ablehnt, ist eine Spaltung der größten weißen Oppositionspartei abzusehen.

Ein führender ANC-Stratege sagte am Montag, daß die Möglichkeit eines vollkommen unabhängigen „weißen Homelands“ nicht mehr strikt ausgeschlossen werden sollte. „Wir können nicht mehr darauf warten, daß die Buren ihre Ansichten ändern,“ sagte der namentlich nicht genannte Stratege in einem Interview. „Was ist denn so schlimm daran, denen ein Stück Land zu geben, verglichen mit den Hoffnungen der Mehrheit der Bevölkerung?“ Es würde sich schnell herausstellen, daß ein getrennter weißer Staat nicht überlebensfähig sei. Aber in der Zwischenzeit wären die Proteste der Ultrarechten entschärft, und eine neue Regierung könnte sich darauf konzentrieren, ein demokratisches Land aufzubauen.

Präsident Frederik de Klerk hatte am Freitag in seiner Regierungserklärung zur Eröffnung des Parlaments vorgeschlagen, daß „das Prinzip der Selbstbestimmung von Völkern“ in den Codesa-Verhandlungen diskutiert werden sollte. Der ANC bestätigte, daß dieses Angebot im Vorfeld der Rede mit ihm und anderen Parteien abgestimmt worden war.

Der CP-Führer Adries Treurnicht hatte dieses Angebot sofort abgelehnt, da de Klerks Interpretation des Begriffs „Selbstbestimmung“ nicht das „Recht einer Nation, sich selbst zu regieren“, einschließe.

Aber ein Sprecher der außerparlamentarischen „Burischen Volksbewegung“ (AVB), Andries Kriel, sagte am Montag, daß eine Reihe von CP-Parlamentariern jetzt bereit sei, die Partei zu verlassen, um sich an den Codesa-Gesprächen zu beteiligen. „Es ist jetzt für uns unmöglich, Krieg zu führen,“ sagte Kriel, der wegen der angeblichen Beteiligung an einem Bombenanschlag am Montag vor Gericht erschienen war. „Wir würden immer wieder zu hören bekommen, daß wir Blut vergießen, während es ein Forum gibt, in dem wir unsere Forderungen diskutieren können.“ Nur wenn Verhandlungen scheitern sollten, könnten rechte Extremisten „mit reinem Gewissen sagen, daß wir alle Möglichkeiten ausgeschöpft haben“.

Nach einer Serie von Bombenanschlägen seit der Aufnahme der Codesa-Verhandlungen Mitte Dezember wird befürchtet, daß Gewaltakte weißer Extremisten den Reformprozeß schwer behindern könnten. Erst gestern hatte die südafrikanische Polizei zehn Rechtsextremisten, darunter den Führer der „Afrikaner Widerstandsbewegung“ (AWB), Eugene Terre Blanche, verhaftet, die im August an den schweren Ausschreitungen während einer Rede von Staatspräsident de Klerk beteiligt waren. Damals waren drei AWB-Mitglieder von der Polizei erschossen worden. Wenige Stunden nach der Festnahme setzte ein Haftrichter die zehn Personen gegen eine Kaution von 100 Rand (55 Mark) wieder auf freien Fuß.

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