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„Ein vernichtendes Porträt von Mossad“

Israelischer Geheimdienst soll den USA Fakten über Terroranschlag auf US-Soldaten im Libanon bewußt vorenthalten haben  ■ Aus Washington Rolf Paasch

Der Buchhändler in „Kramer's Bookshop“ am Washingtoner Dupont Circle ist glücklich. Endlich hat er wieder ein Buch, dessen Beinahe- Verbot es nun in die Bestseller-Liste katapultieren wird. By the way of Deception. A devastating Insider's Portrait of the Mossad, so lautet der Titel des Insider-Berichts aus dem israelischen Geheimdienst, das nach der Aufhebung des Publikationsverbots durch ein New Yorker Berufungsgericht seit Donnerstag legal über den Verkaufstisch geht.

In dem Buch behauptet der ehemalige Mossad-Agent Victor Ostrovsky, der israelische Geheimdienst habe den USA Vorabinformationen über den Terroranschlag auf amerikanische Soldaten vorenthalten, um die arabisch-amerikanischen Beziehungen weiter zu vergiften. Bei der Suizid-Attacke waren 1983 im Libanon 241 US-Marines ums Leben gekommen.

Außerdem, so der redselige Ex- Geheimdienstler, unterhalte Mossad in den USA eine Spezialeinheit aus rund 25 Agenten, deren Aufgabe in der Informationsbeschaffung über die arabische Welt, die PLO aber auch in der Beeinflussung der US Politik bestehe.

In Ostrovskys Wahlheimat Kanada, wo die Geheimdienstenthüllungen auf Antrag der israelischen Behörden am 7. September von einem kanadischen Gericht verboten worden waren, bleibt das Buch weiter unveröffentlicht. Das zunächst am Mittwoch von einem New Yorker Richter ausgesprochene Verbot der Publikation des Buches hatte in den USA, wo Vorabverbote von Büchern unbekannt sind, dagegen große Empörung ausgelöst.

Während die Presse in Israel weitgehend Verständnis für die Zensur der Mossad-Memoiren ausgedrückt hatte, sahen amerikanische Juristen und Verleger in dem bisher einmaligen Zensurversuch der israelischen Regierung einen unhaltbaren Angriff auf die Pressefreiheit in den USA. Die Behauptung der israelischen Behörden, die Veröffentlichung des Buches bedeute für alle darin erwähnten Mossad-Agenten und -Personen eine Gefahr für Leib und Leben, wurde schließlich auch von dem Berufungsgericht zurückgewiesen.

Ostrovski hält sich nach dem Besuch von zwei auf ein Publikationsverzicht drängenden Mossad-Agenten aus Angst vor seiner gewaltsamen Überführung nach Israel in Kanada versteckt. Nach der Veröffentlichung von Informationen über Israels Atomwaffenkomplex war der Nukleartechniker Mordechai Vanunu 1986 von Mossad in Rom gekidnapped und anschließend in Israel zu einer 18jährigen Haftstrafe verurteilt worden.

Während die israelischen Behörden behaupten, Ostrovsky habe in den zwei Jahren seiner Mossad-Zugehörigkeit zwischen 1984 und 1986 als Geheimdienst-Azubi gar keinen Zugang zu den jetzt veröffentlichten Informationen haben können, behauptet der Autor, sein Wissen stamme aus dem ihm damals möglichen Zugang zu Mossad-Computern.

Trotz der anhaltenden Diskreditierungsversuche scheinen sich jedoch jetzt sogar in der Regierung Schamir Zweifel an dem Umgang mit dem redseligen Ex-Agenten breit zu machen. Denn der mißglückte Auftritt der Israelis im amerikanischen Justizsystem hat bisher nur dazu geführt, daß bis zum Wochenende alle 50.000 ausgelieferten Ausgaben des umstrittenen Buches bereits vergriffen waren.

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