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Ein ungleiches Doppel im Spiel

Clinton wirbt auf seiner Lateinamerikareise für Freihandel  ■ Aus Buenos Aires Ingo Malcher

Um zu zeigen, daß er in friedlicher Mission unterwegs ist, hat US-Präsident Bill Clinton extra einen Satz auf spanisch auswendig gelernt. Bei seiner Ankunft in Venezuela schmetterte er seinen Gastgebern auf seiner ersten Südamerika-Tour ein breites „Saludos Amigos“ entgegen. Danach wurde Klartext geredet. „Laßt uns die Schranken der Vergangenheit niederreißen und die Tore zum 21. Jahrhundert aufstoßen!“ rief Clinton in einer „Rede an das Volk Venezuelas und ganz Amerika“ in der Hauptstadt Caracas pathetisch.

Die Schranken, die Clinton bei seiner Reise nach Lateinamerika niederreißen will, sind die an den Zollgebäuden. Sein Ziel: den Weg freimachen für eine Freihandelszone von Alaska bis Feuerland. Die USA haben die Mexiko-Krise verdaut und wollen ihr 1994 auf dem Gipfel der amerikanischen Staaten angekündigtes Projekt, die Schaffung einer den ganzen amerikanischen Kontinent umspannenden Freihandelszone (AFTA), vorantreiben. Ein Mandat vom US-Kongreß hat der Präsident nicht.

Clintons Gesprächspartner in Venezuela, Brasilien und Argentinien sehen das Projekt skeptisch. So betonte der brasilianische Präsident Fernando Henrique Cardoso bereits in seiner Begrüßungsrede die Differenzen bei bestimmten Handelsthemen. Der Soziologieprofessor Cardoso sagte: „Eine neue Weltordnung kann nicht aufgedrängt werden.“ Und sie dürfe nicht ausbeuterisch sein. Anders als Clinton sieht Cardoso die Zukunft seines Landes in dem Gemeinsamen Markt Südamerikas (Mercosur) besser aufgehoben. Im Mercosur haben sich Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay zusammengeschlossen, andere Länder wie Chile und Bolivien haben Kooperationsverträge unterzeichnet. Der Mercosur macht mit einem gemeinsamen Bruttoinlandsprodukt von umgerechnet 1,18 Billionen Mark mehr als die Hälfte der Wirtschaftskraft Lateinamerikas aus. In dem Raum leben 203 Millionen VerbraucherInnen – die Hälfte der BewohnerInnen Lateinamerikas.

Die USA stellen sich vor, über die AFTA mit sämtlichen lateinamerikanischen Ländern einzeln zu verhandeln. Statt dessen will Cardoso lieber im Mercosur als gemeinsamer Wirtschaftsblock an den Start gehen. Er weiß, daß eine Öffnung der Märkte für US-Produkte gefährliche Folgen für Brasilien haben könnte. Sein Außenminister Luiz Felipe Lampreira warnte schon vor den „inakzeptablen sozialen Folgen“ eines solchen Schritts. Denn die brasilianische Industrie hat gegenüber den USA ein fünfmal schwächeres Wettbewerbsniveau, so Lampreira. Daher wird Brasilien keine kontinentale Freihandelszone ohne Pläne zur Bekämpfung von sozialen Problemen akzeptieren. Statt dessen hat die Regierung in Brasilia schon vor einiger Zeit die Schaffung einer rein südamerikanischen Freihandelszone vorgeschlagen, der Mercosur wäre hierbei die erste Etappe.

Brasilien ist nicht nur als Absatzmarkt für die USA interessant. Wie auch andere Präsidenten in der Region verkauft Cardoso alles an Staatsbetrieben, was nicht niet- und nagelfest ist. Bis zur Jahrtausendwende stehen in dem Land Privatisierungen in Höhe von 100.000 Millionen Dollar an. Im Nachbarland Argentinien, wo Clinton gestern abend erwartet wurde, werden die brasilianischen Einschätzungen zur AFTA geteilt.

Brasilien ist der wichtigste Käufer argentinischer Produkte. „Wir glauben, daß es für uns besser ist, zuerst den Mercosur zu konsolidieren und dann als Block die Vorschläge zu verhandeln, die über den Mercosur hinausgehen“, sagte der stellvertretende Außenminister Argentiniens, Andrés Cisneros. Eine Position, die trotz Wahlkampftrubel auch bei der Opposition geteilt wird.

Im Handel zwischen USA und Argentinien fährt Argentinien traditionell eine negative Handelsbilanz ein. Seit 1991 bis zum ersten Semester dieses Jahres beläuft es sich auf 13.871 Millionen Dollar. Auch tragen die von Argentinien exportierten Produkte wenig zur Entwicklung des Landes bei. Es handelt sich dabei vor allem um Rohöl, Leder, Apfelsaft, Zucker und Corned beef. Zwar stiegen die argentinischen Exporte in die USA um 3,6 Prozent, doch der Verkauf US-amerikanischer Produkte nach Argentinien erhöhte sich um 22,5 Prozent.

Bei der Einhaltung von Handelsvereinbarungen haben sich die USA gegenüber Argentinien nicht gerade als zuverlässiger Partner einen Namen gemacht. Bei der Gatt- Konferenz 1994 verpflichteten sich die USA, jährlich 20.000 Tonnen argentinisches Fleisch zu kaufen. Bis heute sind die USA dieser Verpflichtung nicht nachgekommen. Erst seit vergangenem August bahnt sich bei den Fleischexporten eine Änderung an.

Noch immer wird in Argentinien gefürchtet, daß Clinton sich am Rio de la Plata zur Korruption im Land äußern kann. Gerade im Parlamentswahlkampf käme Präsident Carlos Menem das Thema nicht gut zupass. Daher machte sein Sekretär Alberto Kohan schon einmal im Vorfeld des Besuches schön Wetter: „Wir haben derzeit den besten Moment in den Beziehungen mit dem mächtigsten Land der Erde.“ Damit das auch so bleibt, soll Menem Clinton zu einer Partie Golf eingeladen haben. Eine Tradition bei Besuchen von US-Präsidenten in Argentinien: Mit George Bush spielt Menem Tennis – als Partner im Doppel.

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